Die Prophezeiung des Adlers
Schiffen Signale zu geben. Sie haben den schwarzen Stander aufgezogen, wann immer ihre Schiffe von einem Raubzug zurückgekehrt sind.«
Cato nahm das Bündel schwarzen Segeltuchs aus der Kiste und schob dessen Knebel in die Schlaufen an der Flaggleine. Sobald der Stander gut befestigt war, zog er ihn am Mast hoch und belegte die Flaggleine sicher an der Holzklampe. Oben ließ der leichte Morgenwind das drei Meter lange Stoffstück vor dem blauen Himmel flattern.
Cato wandte sich Secundus zu. »Ich hoffe, dass du recht hast.«
Secundus schluckte nervös. »Das werden wir bald wissen. So oder so.«
KAPITEL 36
W as ist das?« Macro zeigte zum Berg hinauf. Ne-ben ihm auf dem Vordeck der Liburne beschattete einer der Matrosen die Augen mit der Hand, spähte kurz hinauf und erwiderte dann:
»Ein Stander, denke ich, Herr.«
»Welche Farbe?«, fuhr Macro ihn an. »Schnell, Mann!«
»Ich … ich kann es nicht recht erkennen, Herr. Anscheinend dunkel. Vielleicht blau … oder schwarz.«
Macro drehte sich um und legte eine Hand trichterförmig an den Mund. »Schafft den Gefangenen hier rauf!«
Als der Befehl, Ajax an Deck zu bringen, weitergegeben wurde, kam auch Decimus hinzu. Keiner der Männer an Deck trug die Uniform oder Ausrüstungsgegenstände der kaiserlichen Armee. Sie waren vielmehr mit den Kleidern und Waffen ausgestattet, die sie auf den beiden gekaperten Liburnen gefunden hatten. Decimus protzte mit einem schönen Seidenturban und einer leuchtend gelben Tunika. Macro hatte sich seinem Naturell entsprechend für einen nüchternen braunen Umhang und lederne Kniehosen entschieden. Er schüttelte den Kopf über den extravaganten Aufzug des Trierarchen, als Decimus auf das kleine Vordeck kletterte. Beide Männer spähten zu dem Stander hinauf, der wie ein winziger Schatten vor der hinter dem Berg aufgehenden Sonne flatterte.
»DannhaterunserSignalalsogesehen«,sagteDecimus.
»Jemand hat es gesehen«, erwiderte Macro leise. »Wir können unmöglich wissen, ob das dort oben Cato ist oder jemand anders.«
»Was glaubst du?«
Macro kratzte seinen Stoppelbart. »Ich bin mir nicht sicher. Wenn es Cato ist, woher kannte er dann die richtige Antwort? Vielleicht hat er doch die Flucht ergreifen müssen. Das bedeutet, dass die Piraten den Beobachtungsposten wieder in Besitz genommen haben.«
Hinter ihnen entstand Bewegung, und als die beiden Offiziere sich umdrehten, sahen sie, dass Ajax ohne viel Federlesens durch die Luke aufs Deck gestoßen wurde. Zwei Marineinfanteristen zerrten ihn auf die Beine und schleppten ihn nach vorn. Unter dem Lukensüll sah Macro die Panzer der Marineinfanteristen schimmern, die von außen unsichtbar im Unterdeck zusammengedrängt waren. Als das Deck der Liburne auf einer Welle nach oben ritt und dann wieder ins Wellental sauste, begriff Macro, wie unbequem die Fahrt für die Soldaten sein musste. Aber er konnte nichts daran ändern. Wenn der Plan des Präfekten gelingen sollte, mussten sie bis zum letzten Augenblick unsichtbar bleiben.
DieMarineinfanteristenhieltenAjax’ArmehinterseinemRückenfestundzerrtenihnsovordiebeidenOffiziere.Erblicktesietrotzigan,undMacroschüttelteseufzenddenKopf.»Versuchesnur,meinSchatz,aberbeimirfunktioniertdasnicht.Ichhabegesehen,wiesiedichgebrochenhaben.DukannstdieSchauspielereialsolassen.«
»Du dreckiger Römer!« Ajax versuchte, Macro ins Gesicht zu spucken, aber sein Mund war vor Angst so trocken, dass man nur ein scharfes Zischen hörte.
»Das sind ja nette Manieren«, meinte Decimus und hob die Faust. »Ob ich ihn wohl bessere lehren sollte?«
Der Blick des jungen Mannes schoss ängstlich zum Trierarchen, und Macro ließ ihn einen Augenblick zappeln, bevor er den Kopf schüttelte.
»Nein. Lass ihn in Ruhe. Leiden kann er auch noch später. Aber jetzt brauche ich ihn erst einmal in guter Verfassung.«
»Schade«, brummte Decimus und wandte sich wieder dem Meeresarm zu, der sich vor ihnen öffnete und zwischen die Berge zurückführte. Sie hatten sich die Lage der Bucht von Catos Karte eingeprägt, und Decimus suchte den Fuß des weiter entfernten Berges nach der Festung ab.
»Entspann dich«, sagte Macro. »Wir werden sie noch eine ganze Weile nicht sehen können.«
Er wandte sich dem Gefangenen zu und deutete zum Beobachtungsposten hinauf. »Siehst du dort? Diesen Stander. Wir haben das Signal gegeben, von dem du uns berichtet hast, und zur Antwort wurde dieser Stander hochgezogen. Was bedeutet das?«
Ajax starrte angestrengt hinauf. Er
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