Die Prophezeiung des Adlers
ausbringen!«
Eins nach dem anderen folgten die vier anderen Schiffe seinem Beispiel und fuhren langsam auf den Ankerplatz der Piraten zu. Während die Seeleute ganz gemütlich die Segel einrollten und festzurrten, ruderten die Römer gemächlich näher, damit die Piraten keinen Verdacht schöpften und es so aussah, als wollten sie einfach nur vor Anker gehen. Um die Täuschung noch wirksamer zu machen, erteilte Decimus bei der Einfahrt der Liburne in die Bucht den Befehl, den Anker klarzumachen. Im Dämmerlicht unter der geöffneten Deckluke erblickte Macro ängstliche Gesichter, die ins Sonnenlicht hinausspähten. Die Leute waren bereit, sofort aufzuspringen und sich in den Kampf zu stürzen. Aber noch war es zu früh, mahnte Macro sich zur Besonnenheit. Er musste den Befehl so spät erteilen, wie es irgend ging, und die größtmögliche Nähe der feindlichen Schiffe suchen, bevor sie die Maskerade beendeten.
Decimus hatte den Befehl, sich als Erstes eine Trireme vorzunehmen, und forderte seinen Rudergänger auf, dicht an das Flaggschiff der Piraten heranzusteuern, aber nicht direkt darauf zuzuhalten. Die Riemenblätter schwangen in einer regelmäßigen Bewegung erst nach oben, dann vorwärts und tauchten dann wieder in das ruhige Wasser der Bucht ein. Dabei wirbelten sie Abfall und Exkremente auf, die auf der Oberfläche trieben.
»Ajax!«
Bei diesem Ruf fuhr Macro zusammen. Er blickte auf und sah in ein lächelndes Gesicht auf dem Achterdeck der Trireme. Der Mann rief wieder etwas in einer unverständlichen Sprache, die nach Macros Gefühl Griechisch sein mochte. Er zwang sich zum Lächeln und breitete in einer Geste herzlicher Begrüßung die Arme aus, doch sein Herz hämmerte in der Brust. Der Mann wiederholte, was er gerade eben gerufen hatte, und Macro lachte herzhaft, worauf der Pirat verwirrt die Stirn runzelte. Er blickte von Macro zu den anderen Männern an Deck, die seinem Blick auswichen. Dann richtete er sich auf und starrte angestrengt zum Deck der Liburne hinüber – und zwar zur Luke, die in den Laderaum führte. Macro wandte sich von der Trireme ab, legte die Hände trichterförmig an den Mund und holt tief Luft.
» JETZT !«
KAPITEL 37
B evor auch nur das Echo seiner Stimme von der Klippe zurückhallte, wurden auf den Decks aller fünf Schiffe laute Befehle gebrüllt. Während die Marineinfanteristen aus dem Laderaum heraufstürmten, schnappten die Matrosen sich die Enterhaken, und die Ruderer hielten auf das jeweilige Schiff zu, das ins Auge gefasst worden war. Macro zeigte auf eine der Triremen, und Decimus nickte und gab den Befehl an den Rudergänger weiter. Zu beiden Seiten schwangen die langen Riemen nach vorn, nach unten, wurden durchs Wasser zurückgezogen und schwangen wieder nach vorn. Gleichzeitig nahmen die Galeeren Fahrt auf und verkleinerten den Abstand zu den Piratenschiffen rasch. Zunächst erfolgte keine unmittelbare Reaktion der Gegenseite, denn die Piraten standen angesichts der Schiffe, die direkt auf sie zuhielten, verständnislos, verblüfft und schließlich entsetzt da. Die Marineinfanteristen hatten den Befehl erhalten, bei der Annäherung stumm zu bleiben, und über der Bucht hing eine geradezu unheimliche Stille.
Dann, nach scheinbar langer Erstarrung, reagierten die Piraten auf den Angriff. Ihre Offiziere riefen Befehle, und die Männer hasteten auf der Suche nach ihren Waffen übers Deck. Drüben am Strand, wo noch immer die drei Galeeren kalfatert wurden, erfolgte die Antwort der Feinde noch langsamer, und sie sahen schweigend zu, wie die römischen Fahrzeuge zum Angriff übergingen. Dann ertönte von der Festung der lang gezogene, dumpfe Ruf eines Alarmhorns, und erst da begriffen die Piraten gänzlich, was da geschah. Aber für die Schiffe, die Macros kleinem Geschwader am nächsten lagen, war es schon zu spät.
Im letzten Augenblick legte der Rudergänger die riesigen Steuerruder mit aller Kraft um, an Backbord verharrten die Riemen im Wasser, und das Schiff kam herum. Es krachte so heftig gegen die Seite der Trireme, dass jede Planke der kleineren Galeere erbebte.
»Enterhaken werfen!«, brüllte Decimus von achtern, und die dreizinkigen Krallen flogen durch die Luft auf das Deck der Trireme. Die Seeleute zogen die Leinen rasch straff und belegten sie. Dann griffen sie nach ihren leichteren Waffen und schwangen sich an den Leinen zum feindlichen Schiff hinauf. Die Marineinfanteristen, die schwerer bewaffnet waren, legten eilig Enterleitern an und
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