Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Prophezeiung des Adlers

Die Prophezeiung des Adlers

Titel: Die Prophezeiung des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Scarrow
Vom Netzwerk:
Schultern. Mit schiefer Miene wegen des rhythmischen Pochens in seinem Schädel stand er langsam auf und schlurfte quer durch den Raum zum Fensterladen. Er nahm die Schnur von dem gebogenen Nagel, der die beiden Holzflügel an Ort und Stelle festhielt, und stieß den zerbrochenen Laden auf. Vom Quietschen der abgenutzten Angeln begleitet, ergoss sich das Licht ins Zimmer, und Macro kniff die Augen vor der plötzlichen Helligkeit zusammen. Aber nur ganz kurz. Wieder einmal lag die inzwischen allzu bekannte Aussicht auf Rom vor ihm, und unwillkürlich empfand er Ehrfurcht beim Anblick der größten Stadt der Welt. Die obersten Zimmer des auf der billigen Seite des Esquilin gelegenen Mietshauses blickten über das wahnsinnige Gedränge und das Elend der Subura hinweg auf die hoch aufragenden Tempel und die Plätze, die das Forum umgaben, und dahinter auf die Lagerhäuser am Ufer des Tiber. Man hatte ihm gesagt, dass beinahe eine Million Menschen sich innerhalb der Mauern Roms drängten. Von dort, wo Macro stand, war das nur zu leicht zu glauben. Ein geometrisches Chaos von Dachziegeln zog sich vor ihm den Hügel hinunter, und die schmalen Gassen, die zwischen den Häusern verliefen, ließen sich nur erahnen, wo die schmuddeligen Backsteinmauern der oberen Geschosse sichtbar wurden. Ein Schleier von Holzrauch hing über der Stadt, und sein beißender Geruch übertönte sogar den Gestank aus der Gerberei am Ende der Straße. Selbst jetzt, nach drei Monaten in der Großstadt, hatte Macro sich noch nicht an die hier herrschenden abscheulichen Gerüche gewöhnt. Und auch nicht an den Dreck in den Straßen: ein dunkles Gemisch aus Exkrementen und faulenden Essensresten, in denen nicht einmal der ärmste Bettler wühlen würde. Und überall das dichte Gedränge der Menschen in den Straßen: Sklaven, Händler, Kaufleute und Handwerker. Die aus dem ganzen Imperium zusammengekommenen Passanten waren noch immer gemäß ihrer eigenen Kultur gekleidet, sodass ein exotisches Durcheinander von Farben und Stilen herrschte. Dazwischen trieben sich die erschlafften Massen frei geborener Bürger herum, die nach irgendeiner Unterhaltung Ausschau hielten, mit der sich die Zeit vertreiben ließ, solange sie nicht für die kostenlose Getreideverteilung anstanden. Hier und dort wurden die Sänften der Reichen vorbeigetragen, herausgehoben aus dem restlichen Rom, und ihre Besitzer hielten sich Duftsalben unter die Nasen, um in den fauligen Schwaden der Stadt wohltuendere Gerüche einzuatmen.
    So sah das Leben in Rom aus, und es überwältigte Macro. Er staunte, dass eine solche Unzahl von Menschen eine derartige Beleidigung der Sinne duldeten und sich nicht nach der Freiheit und Frische eines Lebens fern der Stadt sehnten. Er war sich sicher, dass Rom ihn nur zu bald verrückt machen würde.
    Macro stützte sich mit den Ellbogen auf das abgenutzte Fensterbrett und spähte nach unten in die schattige Straße, die entlang des Mietshauses verlief. Sein Blick glitt die schmuddelige Backsteinmauer hinunter, die unter seinem Fenster in eine schwindelerregende Tiefe führte, in der die Passanten nur noch wie vierbeinige Insekten wirkten – so fern waren sie und so unbedeutend erschienen sie, wie sie im trüben Licht über die Straße huschten. Ein höheres Gebäude als dieses Zimmer im fünften Stock des Mietshauses hatte Macro noch nie betreten, und es schwindelte ihm ein wenig.
    »Scheiße … «
    »Was ist Scheiße?«
    Macro drehte sich um und sah, dass Cato nun wach war, sich die Augen rieb und ungeniert herzhaft gähnte.
    »Ich. Ich fühle mich beschissen.«
    Cato betrachtete seinen Freund mit einem missbilligenden Kopfschütteln. »Du siehst auch beschissen aus.«
    »Danke vielmals.«
    »Besser, du bringst dich mal in Ordnung.«
    »Warum denn? Wozu? Es ist sinnlos, sich Mühe zu geben, wenn den Rest des Tages dann ohnehin nichts zu tun ist.«
    »Wir sind doch Soldaten. Wenn wir jetzt alles schleifen lassen, werden wir nie wieder auf Zack sein. Außerdem, einmal Legionär, immer Legionär. Das hast du mir selbst gesagt.«
    »Ach, wirklich?« Macro zog eine Augenbraue hoch und zuckte dann mit den Schultern. »Da muss ich wohl betrunken gewesen sein.«
    »Wie soll man das merken?«
    »Riskier mal keine dicke Lippe«, knurrte Macro, der spürte, wie sein Kopf sich sanft zu drehen begann. »Ich muss noch mal schlafen.«
    »Du kannst jetzt nicht schlafen. Wir müssen uns fertig machen.« Cato griff nach seinen Stiefeln, zog sie an und begann, die

Weitere Kostenlose Bücher