Die Prophezeiung von Tandoran - Verwundete Welt - Yoga/Fantasy-Roman: 1 (German Edition)
Blume aus grauem Stein geschlagen war. Sie stand auf einem mit Inschriften versehenen Sockel. Mehrere Steinblätter umhüllten drei ebenfalls graue Blütenansätze. Das gesamte Gebilde wirkte verschlossen, abwartend.
In den dunkleren Bereichen rund um das Kunstwerk sah Jason die Mitglieder des Lichtrates. Mit seinem Eintreten stimmten sie ein Lied an, erst ruhiger, nach einer Strophe sich langsam steigernd. Der Gesang berührte etwas in ihm. Sein Vater tauchte in seinen Gedanken auf. Auch er muss diesen Weg gegangen sein. Jetzt folgte er ihm - wie der Vater, so der Sohn. Er empfand Ehrfurcht für die lange Tradition dieser Zeremonie.
Der Chor des Lichtrates wurde leiser und endete. Alle Augen des Rates richteten sich auf ihn.
Meister Allando trat einen Schritt vor. Mit erhobener Stimme verkündete er: „Jason Lazar, Sohn von Franka Lazar und Ethan dan Wadust. Du wirst heute von Cargolita auf eine moralische Eignung für die Ausbildung zum Limarten geprüft. Im Falle des Bestehens musst du einen Eid ablegen, niemandem von dem zu erzählen, was du in deiner Lehrzeit erfahren wirst. Brichst du diesen Eid, ist die Strafe der Tod. Die einzige Todesstrafe auf Tandoran, denn dieses Wissen kann in falschen Händen viel Leid verursachen. Sprich, Jason, bist du bereit, diesen Schwur abzulegen?“
„Jjj ... ja, das bin ich“, antwortete Jason mit trockenem Mund. Er streckte sich und schritt auf ein Zeichen von Großmeister Allando an seiner Seite der Blume entgegen. Callum und Nickala fielen im Dunkel des Eingangs zurück.
Drei Meter vor der Blume hielt der Meister an einer kupferfarbenen Schüssel an. Das Gefäß stand hüfthoch auf einem Sockel und war mit Wasser gefüllt. Allando ergriff Jasons Arme und leitete dessen Hände in das Becken.
Jason zuckte, als seine Finger in das eiskalte Nass eintauchten. Allando führte die Handflächen von Jason im Wasser zusammen und dirigierte sie so, dass Jasons Hände viermal aneinander rieben. Dann reichte er ihm ein schneeweißes Handtuch, das so fein gewebt war, dass es sich zart schmeichelnd um seine Haut wickelte.
Nachdem Jason sich abgetrocknet hatte, begab sich der Meister zu einer Skulptur aus zwei steinernen Händen. Jason hatte diese bisher noch gar nicht bemerkt. Sie ragten einen Meter vor der Blume aus dem Boden und bestanden aus ockerfarbenem Marmor.
„Nun knie nieder, Jason, lege deine Hände hier hinein und empfange das Urteil von Cargolita. Wenn sie sich aufrichtet und öffnet, bis du als Schüler in die Limartenschule von Sapienta aufgenommen und wir werden dich die machtvollen Techniken lehren. Senkt sie ihre Blätter, dürfen wir dich nicht unterrichten.“ Mit ernster Miene verharrte er neben den aus den Sinithplatten ragenden Marmorhänden.
Jason drehte sich noch einmal zu Callum um, konnte ihn aber im hinteren Bereich nicht ausmachen. Zu geblendet war er von dem Sonnenstrahl, der den Kreis um die Blume erhellte. Schweiß hatte sich auf seiner Oberlippe gesammelt. Rasch wischte er mit seiner Zunge darüber. Er ging in die Knie, zögerte kurz und legte dann behutsam seine Handflächen in die der Marmorskulptur.
Sie passten wie Zwillingshände ineinander. Im Raum wurde es totenstill. Weit entfernt ertönte das Zuschlagen einer Tür.
Einen Moment lang passierte gar nichts. Dann erscholl ein tiefes Donnergrollen. Die Wände begannen zu wackeln. Alle Anwesenden zuckten erschrocken zusammen.
***
Ethan richtete sich abrupt auf. Er spürte eine Energieaufwallung, als ob ihm jemand Limar ins Blut gespritzt hätte. Seine Ohren erfüllte ein Summen, er fühlte sich kraftgeladen wie in seinen frühesten Jugendtagen. In seinem Geist sah er einen knieenden jungen Mann vor der Blume der Prüfung. Diese wuseligen, schwarzen Haare - genau wie Jason damals. Konnte das sein Sohn sein? Unbändige Freude loderte in ihm auf, er wollte aufspringen, doch er hatte die Ketten vergessen. Brutal wurde seine Aufwärtsbewegung gestoppt, ein scharfer Stich fuhr durch seinen Nacken. Dann merkte er, wie die Speichersteine um seinen Hals die ganze Energie aus ihm hinauszogen. Sie klackten, als ständen sie unter zu großer Spannung.
Sofort nahm tiefe Erschöpfung den Platz der rausgesogenen Lebenskraft ein. Seine Stimmung sank, das Bild vor seinem Auge verblasste und kehrte nicht zurück. Doch zum ersten Mal, nachdem sein Bruder ihm vom Tode Frankas berichtet hatte, empfand er so etwas wie Interesse am Leben. Vielleicht sollte ich meine Übungen wieder aufnehmen? Vielleicht gibt es
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