Die Prophezeiung
d ich zu mir geschickt, die Angsthasen! Haben sie dir erzählt, dass ich krank sei? Ah ja, ich sehe schon, immer das Gleiche, wenn sie meine Ungeduld spüren. Als würde das etwas nützen! Dann komm herein, meine Schöne, komm nur herein!“
Rianna zögerte kurz, sie fühlte starken Widerwillen diese Hütte zu betreten. Dann gab sie sich einen Ruck und trat ins Dunkel. Augenblicklich wurde ihr eiskalt trotz des hoch lodernden Feuers im Inneren. Böses schien sich zu nähern und sie drehte sich um, bereit zu fliehen. Aber die Alte trat ihr in den Weg.
„Bleib, denn raus kommst du nicht mehr! Jedes Jahr schicken sie mir ein Mädchen, aber es kehrt nie zurück. Und wenn sie keines schicken, kommt Unheil über sie, das wissen schon die Dümmsten von ihnen! Du kannst nicht fliehen, du bist mein!“
Sie lachte auf eine grässliche, klirrende Weise und Rianna erstarrte. Dann schloss sie die Augen und dachte an alles, was sie schon verloren hatte. Erinas stand ihr vor Augen und ihr wurde warm.
„Was machst d u da, Mädchen? Wer bist du, dass du mein Feuer des Hasses zügeln kannst?“, hörte sie die nun zitternde Stimme der Alten. Sie öffnete rasch die Augen und sah, dass in der Tat das riesige Feuer nun in gewöhnlicher Größe im Kamin loderte und die Hütte erwärmte. Sie lächelte, als sie spürte, dass die Alte keine Macht über sie hatte. Rianna wandte sich ihr zu und fragte leise: „Wer bist du und warum hasst du so sehr?“
D ie Alte schien in sich zusammenzusinken, dann schlurfte sie zu dem alten Lehnstuhl und ließ sich schwach hineinfallen.
„Ich heiße Azriel und war bis eben eine der drei Unbezwingbaren! Wie hast du das geschafft und wer bist du?“, fragte sie und ihre Augen, die nun einfach nur braun waren, sahen bis in die Tiefen von Riannas Seele. Nun keuchte sie auf und rief: „Du bist Melisins Tochter, bei allen Göttern, was machst du hier?“
Rianna war verunsichert, was erzählt diese Azriel nur für Unsinn?
„Ich kenne keine Melisin, ich bin… die Tochter Sagobans und Tonyas.“
„Ja, das dachte Tonya auch lange. Bis sie sah, dass sich der Fluch Melisins erfüllt hatte und sie ihre Tochter wegen ihrer eigenen Niedertracht verloren hatte.“
„Welcher Fluch? Was meinst du damit?“, fragte Rianna tonlos, die sich an das lieblose Verhalten ihrer Mutter gegenüber ihr und Erinas zu erinnern begann. Sie hatte es nie begreifen können und den Grund dafür der Gefühlskälte, die zum Charakter ihrer Mutter zu gehören schien, zugeschrieben.
„Sie ließ die wahre Gefährtin deines Vaters, die mächtige Hexe Melisin in einen Hinterhalt locken und töten. Melisin aber verfluchte Tonya, sie würde nie von irgendjemand geliebt werden. Und dieser Fluch erfüllte sich so gut, dass du sogar aussiehst wie Melisin! Was für eine Niederlage für das böse Weib!“, lachte die Alte keckernd. Rianna wurde blass und sie spürte die Anstrengungen des Tages wieder. Sie fühlte sich zunehmend schwächer und während sie sich dessen bewusst wurde, begann das Feuer wieder höhere Flammen zu bilden. Azriel nahm ihren Arm und drängte sie in den Lehnstuhl. Dann sagte sie leise: „In Gedenken an deine wahre Mutter Melisin werde ich dich beschützen und dich lehren, was nur unter Hexen weitergegeben werden kann, Rianna. Du bist die Hoffnung dieser armen Toren, aber auch die unsrige!“
Rianna schüttelte benommen den Kopf: „Wen meinst du damit, Azriel?“
„Die drei Unbezwingbaren: Seros, der Zauberer im Reich der Schatten ist der eine, ich bin die Herrscherin über das Menschenvolk und Melisin war die Hüterin des Elfenreiches und der Natur. Und an Seros Seite fliegt stets Balor, der Drache. Seit Melisin tot und Razak an der Macht ist, sind wir geschwächt! Seros wagt sich nur noch selten aus dem Reich seiner Schatten und ich muss von dieser Hütte aus beobachten, wie alles verfällt. Nichts kann ich tun, als ab und zu die Menschlein da draußen etwas zu maßregeln, wenn sie zu unbescheiden werden! Mit deiner Hilfe können wir unsere Macht vielleicht zurückgewinnen!“
Rianna stand entschlossen auf: „Ich werde nicht mit jemandem zusammenarbeiten, der unschuldige Menschen tötet, Azriel!“ Azriel sah sie verletzt an.
„Ich war eine gute Herrscherin, aber die Ehrfurcht der Menschen hat sich in Angst gewandelt und die ist das Einzige, was Razak in Zaum hält. Er kennt Seros‘ und meine Macht!“
„Warum vernichtet ihr ihn dann nicht endlich, auf was wartet ihr?“, rief Rianna verzweifelt.
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