Die Prophezeiung
Geräusche um mich herum, als wäre nichts gewesen. Bis ich wieder so richtig zu mir kam, war der Rehbock leider auch weg. Schade, das Fleisch hätte für einige Zeit gereicht! Wir werden keine Wahl haben, Moran, und das ist auch nicht schlimm. Wir werden das Geschick unseres Landes mitbestimmen können und zwei hübsche Kinder haben! Das ist doch mehr, als wir hoffen konnten. Und der Junge hat meine Augen, sagte der Alte. Das ist doch auch nett, oder?“
Balins Augen blitzten vor Stolz und Tatendrang. Moran wischte sich über die Augen und lachte, als sie ihm die letzten Worte Aramis mitteilte. Bis zum Winter sprachen sie nur noch selten von der vorhergesagten Zukunft, vor den Augen der anderen Dorfbewohner lebten sie ihr Leben wie zuvor. Daneben bereiteten sie heimlich ihre Abreise aus Sorimok vor. In dem Schuppen, in welchem Balins Werkzeuge lagerten, stand bald ein alter Wagen, der mit allem, was sie bis dahin nicht unbedingt brauchten, beladen wurde. Platz war noch geblieben für das Nötigste, was sie noch in der einen letzten Nacht aufladen mussten. Moran bereitete Fleisch und Gemüse als Vorräte und Balin arbeitete mehr denn je, um jeden Taler sparen zu können.
Den beiden jungen Leuten war klar, dass sie Geld brauchen würden, wenn sie mit ihrem bisschen Hab und Gut in die Hauptstadt kämen. Ein Haus musste dann so schnell wie möglich gefunden werden, in welchem alle vier leben konnten. Und Arbeit war vielleicht auch nicht sofort zu finden. Um diese Zeit zu überbrücken, würden sie alles brauchen, was sie nun vorbereiten konnten.
Als sich der Winter näherte, wurden sie langsam unruhig. Moran zuckte bei jedem Klopfen an der Türe zusammen, wenn gerade ein Sturm über die Stadt tobte. Und Balin ging des Öfteren in den Schuppen und prüfte die Festigkeit der aufgeladenen Dinge. Aber das Schicksal forderte Geduld von ihnen. Die Stürme wurden weniger und der Schnee begann wieder zu tauen. Moran und Balin hatten das Gefühl, als sei doch erst der nächste Winter derjenige, in welchem sich ihr Leben ändern würde. So saßen sie eines Abends entspannt vor dem Feuer. Moran strickte an einem Schal. Sie hatte einige Kleidungsstücke für die Kinder angefertigt, denn sie nahm nicht an, dass diese viel dabei hätten. Allerdings war es nicht einfach etwas zu nähen oder zu stricken, wenn man das Alter der Kinder nicht wusste. So hatte sie sich auf warme Hemden und Strickjacken besonnen, die für Babys zwar zu groß, aber für Drei – und Vierjährige recht wären. Ein Baby konnte man notfalls auch in Decken wickeln. Und besser, die Kleidung wäre zu groß als zu klein. Nachdenklich sah sie zu ihrem Mann hinüber. Balin saß schon seit einiger Zeit über den Tisch gebeugt und bog etwas mit einer feinen Zange.
„Was machst du denn da, Balin?“, fragte sie neugierig.
Ihr Mann sah nicht auf und murmelte nur: „Kleinen Moment noch, Moran, gleich hab‘ ich‘s!“
Moran lächelte leicht und beendete die letzte Reihe des Schals. Dann vernähte sie die Fäden. Als sie die Nähsachen in ihren Korb packte, stand auch Balin auf. Er räumte die Zange weg und fuhr sich mit der Hand über die Augen. „Dieses kleine Zeug lässt mich noch erblinden, da lob ‘ ich mir Schwerter und Hufeisen“, brummelte er.
Dann blickte er zu Moran und sah, wie sie ihn liebevoll anlächelte. Er nahm das blitzende Metall vom Tisch und kam zu ihr. Dicht vor ihr blieb er stehen und sagte mit sanfter Stimme: „Hier: Für dich, meine Geliebte!“
Er hielt die Hände auseinander und Moran verschlug es die Sprache. Er hatte eine Kette aus kleinen silbernen Gliedern gefertigt, in kurzen Abständen hingen daran Tropfen aus durchsichtigen, weiß glitzernden Steinen.
„Es sind natürlich keine Diamanten, sondern ganz normale hübsche Steine, die ich in dem Flussbett des Sedan gefunden habe, aber das Silber ist echt!“
Moran flüsterte gerührt: „ O Balin, sie ist wunderschön, aber hätten wir das Geld nicht lieber sparen sollen?“
Balin lächelte sie an, als er die Kette um ihren Hals befestigte.
„Wir haben genug gespart, denke ich. Und wenn es vielleicht doch erst nächsten Winter sein sollte, wird es sowieso mehr als genug sein. Und du warst so fleißig, hast niemals gejammert über das Schicksal. Du bist meine Frau, wann auch immer unsere Kinder kommen werden. Meine Liebe gehört dir und das wollte ich dir mit dieser Kette gerne zeigen!“
Moran legte die Arme um seinen Hals und erwiderte gerührt: „ Ich weiß um deine
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