Die Prophezeiung
sie wortlos zurück ins Haus, um das Frühstück zu bereiten. Ziandra sah ihr erstaunt nach, sie konnte sich das wundersame Verhalten der alten Hexe nicht erklären. Nach kurzem Kopfschütteln senkte sie ihren Blick auf das Buch und nahm es erst nach einigen Minuten wirklich wahr. Wie schön es gefertigt war: Der Einband war dunkel – fast goldbraun. Goldene Buchstaben waren auf der Vorderseite eingeprägt:
„Krone und Feuer –
verbunden für die Ewigkeit“
Als sie es genauer ansah, erschrak sie zutiefst. Das gezeichnete Tal war das Tal der Magaren! Und dort flog der Drache Balor seine Runden und vor dem Höhleneingang hoch oben am Berg stand eine rothaarige Frau – wer war sie? Je länger sie hinsah, desto mehr Einzelheiten erfasste ihr Blick. Am Talgrund kämpften Seros und die Magaren mit den Soldaten Razaks. Ziandras Blick wanderte weiter und dann, in der kleinen Ecke unten links fand sie ihre Flucht durch den Flusslauf gezeichnet! Ziandra schüttelte benommen den Kopf. Wie konnte das gehen? Das war noch nicht so lange her. Wer hatte dies gezeichnet?
„Ich habe es gezeichnet“, sagte eine leise Stimme und Ziandra sah direkt in die sanften Augen ihrer Mutter.
„Dies ist das Buch meiner wahren Mutter Melisin, du siehst sie hier vor der Höhle. Ich fand, dort gehört sie hin, wenn sie schon nicht an der Seite meines Vaters bleiben durfte.“ Die beiden Frauen schwiegen, die eine vertieft in die Betrachtung des Buches, die andere in ihre Gedanken. „Hast du eigentlich schon einen Namen für euer Kind?“, fragte Rianna irgendwann neugierig. Ziandra nickte zögernd. „Ein paar Ideen hatten wir, aber ich weiß nicht, ob sie, nachdem was ich nun weiß, noch passen!“ Sie schwieg etwas eingeschüchtert. Rianna sah ihre ungewohnt zurückhaltende Tochter an. Sie konnte jede ihrer Ängste nur zu gut nachempfinden, hatte sie selbst diese doch auch schon durchlitten, bis Azriel ihr dann gesagt hatte, dass Ziandra nicht die geweissagte Hexe war. Danach war sie selbst wie befreit gewesen, zwar erfüllt von der Furcht vor Entdeckung, aber erleichtert, dass nicht Ziandra diese Last zu tragen hätte! Nun, stattdessen hatte Ziandra nun eine ebenso große Last zu tragen: Das Wissen um die schwierige Zukunft ihrer Tochter. Rianna überlegte ein wenig und meinte dann vorsichtig:
„Wie gefällt d ir „Zaramé“? Es wäre fast eine Mischung aus den Buchstaben, die in den Namen Melisin, Ziandra und Rianna vorkommen und ist noch dazu der Name einer Heilpflanze, die gegen viele Gifte der Welt hilft. Und genau dies wird Zaramé ja gewissermaßen auch werden: Diejenige, welche das Gift der Familie Razaks aus der Welt schafft! Die Zaramé ist eine Herbstpflanze mit wunderschönen rotgoldenen Blütenkelchen, die wohl auch zu ihrer Haarfarbe passen werden, wenn ich mir deine Kleine so ansehe.“
Ziandra spürte sofort in dem gleichen Augenblick, in welchem die Mutter ihn aussprach, dass dieser Name der einzig Richtige war. „Dies ist ein wunderschöner Name, Mutter. Wenn Iannis einverstanden ist, dann soll sie Zaramé heißen!“, sagte sie entschlossen.
Rianna stand anmutig auf und strich ihr sanft über die Wange. „Mein Kind, ich wünsche euch viel Glück und den Segen der Götter Erimalias! Lies nun in dem Buch! Ich habe es einst begonnen, als ich auf der Flucht war und nun ist es an dir, es für deine Tochter fortzuführen, damit sie einst weiß, was zu tun ist!“
Und Ziandra lernte die Vergangenheit ihrer Mutter und ihrer Großmutter kennen, sie begriff die Zusammenhänge und den unbändigen Hass Razaks auf ihre Familie.
Und dann begann sie selbst aufzuschreiben, was noch fehlte: Ihr eigenes Leben und das von Iannis für ihre gemeinsame Tochter mit der schweren Zukunft!
Zaramé war etwa drei Monate alt, als überraschend Iannis‘ Bruder, der Dichter Ikaron mit seiner Familie bei ihnen auftauchte. Es war später Abend und Ziandra hatte Zaramé gerade zu Bett gebracht, als die unerwarteten Gäste eintrafen. Müde und hungrig sahen sie aus, ihre Kleidung war zerschlissen, als trügen sie diese schon einige Zeit und das bereits ältere Kind, welches hinter dem Vater im Sattel saß, hatte Tränenspuren auf den schmutzigen Wangen. Es war ein etwa 1jähriger Knabe mit dunklen Augen und langen glatten, beinahe schwarzen Haaren. Ziandra empfand Mitleid mit ihm, obwohl er nicht einnehmend wirkte. Iannis eilte mit einem Ausruf des Schreckens auf den Mann zu, welcher langsam vom Pferd glitt. Offensichtlich war er
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