Die Prophezeiung
hinüber. Ziandra spürte, wie Iannis Hand ihr Handgelenk umfasste und als sie ihn ansah, erkannte sie, dass nun auch er spürte, dass hier höhere Mächte am Werk waren. In den Flammen züngelten nun blau eingefärbte Bilder. Die Magaren kämpften in der Schlucht, welche sie erst vor zwei Tagen verlassen hatten, aber sie waren am Ende. Die Übermacht der Erimalier war zu groß, nach und nach wurden die großen Kämpfer zurückgedrängt, der Drache – welcher Balor genannt wurde – lag am Boden, augenscheinlich verwundet, denn über seinen linken Flügel floss das Blut in dicken roten Strömen. Dann sprangen Rianna und Ziandra gleichzeitig auf: Prinz Nozak stand, das Schwert erhoben, neben des Drachen Hals und holte zum entscheidenden Schlag aus, als Seros sich taumelnd erhob und für den Drachen um Gnade bat. Nozak hielt das schwere Schwert erhoben, als sei das Gewicht für ihn nicht zu spüren: „Was gibst du mir dafür, alter Zauberer? Wo sind Rianna und ihre Tochter?“
Seros hob die Hände: „Sie flohen bereits vorgestern morgen, als Ihr durch den oberen Eingang kamt. Sie nahmen den Weg durch das Bachbett! Wo sie sich jetzt aufhalte n, weiß ich nicht!“ Nun zuckte Nozaks Arm nach unten und Seros schrie wieder: „Nein, tut das nicht! Er wird Euch ab jetzt gehorchen, Ihr habt ihn besiegt und seid sein neuer Herr!“ Nozak trat an den Drachen heran. „Steh auf, Balor. Zeig mir, das du es für mich tust!“
Ziandras Herz krampfte sich zusammen, als sie zusehen musste, wie sich der Drache mühevoll und unter Schmerzen hoch kämpfte, um dann sein mächtiges Haupt vor dem Tyrannen zu beugen. Auf Nozaks Antlitz zeigte sich nun der grausame Triumph, den er nun empfinden durfte. Er hatte gesiegt, auch wenn der Hauptgrund seiner Anwesenheit an diesem Ort entkommen war! Und nun war auch die Zeit für den Untergang Madredas gekommen! Azriel und ihre Besucher mussten in den nächsten Stunden hilflos mit ansehen, wie Seros und die Magaren in das Reich der Schatten verbannt wurden. Einer nach dem anderen der tapferen Kämpfer verschwand mit gebeugtem Haupt in der Höhle am anderen Ende des Tals. Als letzter ging Seros mit einem herzzerreißenden Blick auf seinen Drachen, der ihm nun nicht mehr gehörte. Ziandra warf einen Blick auf Azriel, um zu erfahren, wie diese die Niederlagen ihrer Verbündeten verkraftete. Sie war zu Tode erschrocken, als sie die glänzenden schwarzen Augen sah und die einzelne Träne, welche sich den Weg über die ledrige Wange der alten Hexe suchte. Also stand Seros Azriel näher als sie alle gedacht hatten! Dann folgten die Tage, an denen sie nicht viel aßen und tranken, an denen sie mit ansehen mussten, wie Madregas fiel! In diesen Tagen häufte es sich aber auch, dass Ziandra von morgendlicher Übelkeit befallen wurde und ihre Mutter ihr eröffnete, was sie selbst schon vermutet hatte: Ziandra war schwanger!
Alle waren außer sich vor Freude, wussten aber doch, dass es nicht einfach werden würde, dieses Kind sicher groß werden zu lassen. In das Feuer sahen sie nicht mehr oft. Es war zu schmerzhaft, die Freunde sterben zu sehen. Aber wenn sie in die kleine Stadt Argos ritten, um einzukaufen, erfuhren sie dennoch alles Wichtige. Prinzessin Asmida hatte Razak heiraten müssen! Und dann kam Iannis eines Abends zutiefst niedergeschlagen zurück: König Heras war tot! Razak hatte ihn nach der Aufgabe Madredas‘ am Leben gelassen, aber nun ging das Gerücht um, er sei keines natürlichen Todes gestorben. Ziandra und Rianna weinten bittere Tränen, als sie es hörten. Und selbst Azriel verkniff sich diesmal eine bissige Bemerkung über die Weichheit der Frauen. Der Winter kam und ging und dann wurde es Frühling und Ziandras Zeit der Niederkunft nahte. Sie half beim Flechten von Körben, welche die Männer auf dem Markt verkauften. Im Gemüsegarten ihrer Mutter wurde ihr die Arbeit indessen zu beschwerlich. Immer wieder ertappte Ziandra die alte Azriel, wie sie sie berechnend ansah. Eines Abends, als sie im engen Zimmer, welches sie mit den Eltern teilten beisammen lagen, raunte Ziandra ihrem Mann zu: „Iannis, bilde ich es mir ein, dass Azriel auf irgendetwas wartet? Sie sieht mich immer so seltsam an!“
Iannis zog sie näher zu sich heran und küsste sie sanft auf die Schläfe. Als er über ihren Bauch strich, spürte er, wie sich das Kind darin kräftig bewegte.
„Mir ist das auch schon aufgefallen, Liebste. Aber ich denke nicht, dass dir oder dem Kind von ihr Gefahr droht. Sie ist
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