Die Prophezeiungen von Celestine
erwiderte ich.
»Stört es dich, wenn ich mich eine Weile zu dir setze?«
»Im Gegenteil.«
Mehrere Minuten lang sagte keiner von uns be iden ein Wort, bis ich deswegen ein leichtes Unbehagen verspürte. Ein paarmal hatte ich in seine Richtung geschaut und etwas sagen wollen, doch er hatte sein Gesicht der Sonne zugewandt, den Kopf leicht geneigt und mit den Augen blinzelnd.
Schließlich ergriff er das Wort. »Einen schönen Platz hast du hier gefunden.« Offenbar bezog er sich auf die Bank zu eben jener Tageszeit.
»Hören Sie, ich brauche Ihren Rat«, sagte ich.
»Wie komme ich am sichersten zurück in die
Vereinigten Staaten?«
Er sah mich mit ernster Miene an. »Das weiß ich nicht. Es hängt davon ab, für wie gefährlich die Regierung dich hält. Erzähl mir, was in Cula passiert ist.«
Ich erzählte ihm alles, angefangen von meinem ersten Kontakt mit dem Manuskript. Die Euphorie, die ich auf dem Berggipfel empfunden hatte, erschien mir jetzt abstrus und prätentiös, deshalb er-wähnte ich sie nur kurz. Doch sofort begann Sanchez sich eingehender danach zu erkundigen.
»Was hast du gemacht, nachdem der Soldat dich übersehen hat und verschwunden war?« fragte er.
»Ein paar Stunden lang habe ich dort oben ge sessen.
Und vermutlich habe ich mich noch nie in meinem Leben so erleichtert gefühlt.«
»Was hast du außerdem noch gefühlt?« fragte er.
Ich wand mich innerlich ein wenig und entschied dann, es mit einer Beschreibung zu versuchen. »Es ist nicht einfach zu erklären«, sagte ich. »Ich fühlte mich auf sehr euphorische Weise mit allen Dingen
verbunden, ein Gefühl vollkommener Sicherheit und starken Vertrauens. Meine Müdigkeit war plötzlich wie weggeblasen.«
Er lächelte. »Du hattest ein mystisches Erlebnis.
Viele Leute, die den Wald in der Nähe des Gipfels besucht haben, berichten davon.«
Ich nickte zögernd.
Er drehte sich so, daß er mich direkt ansah. »Das sind Erfahrungen, wie sie von den Mystikern jeder Religion beschrieben werden. Hast du jemals etwas über derartige Erfahrungen gelesen?«
»Vor einigen Jahren«, sagte ich.
»Aber bis gestern handelte es sich nur um ein intellektuelles Konzept?«
»Das könnte man so sagen.«
Ein junger Pater trat auf uns zu, nickte und flü sterte Sanchez etwas ins Ohr. Sanchez nickte, und der junge Pater drehte sich um und ging wieder. Der ältere Priester beobachtete jeden Schritt des jungen Mannes.
Er durchquerte den Innenhof und begab sich in eine parkähnliche Anlage, etwa dreißig Meter entfernt.
Zum ersten Mal bemerkte ich, daß auch diese Anlage von extremer Reinlichkeit und voller
unterschiedlichster Pflanzen war. Der junge Pater schritt mehrere Orte in der Anlage ab und zögerte bei jedem, als ob er nach etwas suche. An einem bestimmten Punkt angelangt, setzte er sich. Von da an schien er sich auf eine Übung zu konzentrieren.
Sanchez lächelte, als gefalle ihm der Anblick, dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder mir zu.
»Ich denke, daß es für dich im Augenblick eher gefährlich ist, zu versuchen, in dein Land zurückzukehren«, sagte er. »Doch ich werde versuchen, herauszufinden, wie die Lage ist und ob jemand etwas von deinen Freunden gehört hat.« Er stand auf und sah mir direkt ins Gesicht. »Ich habe jetzt einige Pflichten zu erle digen. Sei versichert, daß ich dir in jeder erdenklichen Weise behilflich sein werde. Ich hoffe, daß du für den Augenblick gut untergebracht bist.
Entspanne dich, und versuche wieder zu Kräften zu kommen.«
Ich nickte.
Er griff in seine Tasche, zog einige Papiere hervor und überreichte sie mir. »Dies ist die Fünfte Erkenntnis. Sie beschäftigt sich mit Erlebnissen wie dem dei-nigen. Ich könnte mir vorstellen, daß sie dich interessiert.«
Zögernd nahm ich, noch während er sprach, die Papiere in Empfang. »Wie weit reicht dein Verständnis der letzten Erkenntnis, die du gelesen hast?«
fragte er.
Ich zögerte. Im Augenblick hatte ich kein großes Interesse an Manuskripten oder Erkenntnissen. Doch schließlich sagte ich: »Die Menschheit steckt in einem Wettbewerb um menschliche Energie. Wenn es uns gelingt, andere von unserem Standpunkt zu überzeugen, identifizieren sie sich mit uns, was ihre Energie auf uns überträgt. Als Folge davon fühlen wir uns bestärkt.«
Er lächelte. »Das Problem besteht also darin, daß jeder versucht, die Energie des anderen zu kontrollieren und zu manipulieren, weil er selbst meint, zuwenig davon zu besitzen?«
»Ganz
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