Die Puppe: Psychothriller (German Edition)
so etwas wie Genugtuung, als es zu der peinlichen Szene kommt. Bei sich denken sie, es ist genau das, was einem wie ihm passieren muss .
Es ist halb neun, und eine Gruppe von zwanzig Gästen ist hereingekommen. Sie haben reserviert, und man hat ihnen Tische im hinteren Teil zusammengeschoben, wo sie die übrigen Leute nicht stören werden. Vielleicht feiern sie eine Verlobungsparty; ein paar Frauen tragen Cocktailkleider, und zwei Männer sind im Anzug. Die Frau am Ende der Gruppe – sie ist blond, Ende fünfzig, sonnengebräunt und trägt eine Jeans mit Steppnähten und ein Hollister-Hoodie – scheint auf den ersten Blick dazuzugehören. Erst als alle sich setzen und sie es nicht tut, wird klar, dass sie nur hinter ihnen hergegangen ist, aber nicht zu ihnen gehört.
Ihre Bewegungen sind unsicher. Ein tief ausgeschnittenes T-Shirt unter dem Hoodie stellt ihre Brüste zur Schau. Auf dem Weg durch das Restaurant stößt sie gegen einen Kellner. Sie bleibt stehen, um sich zu entschuldigen, doch das »sorry« geht ihr nur schwer über die Zunge. Beim Reden legt sie die Hände an die Brust des jungen Mannes und lächelt vertraulich. Er wirft einen hilflosen Blick zur Bar und weiß nicht recht, was er tun soll – aber bevor er Einwände machen kann, ist sie schon weitergegangen. Sie prallt wie eine Flipperkugel von Tisch zu Tisch und hat ihr Ziel fest im Blick.
Den Mann in der North-Face-Jacke.
Er blickt von seinem halb verzehrten Hamburger auf. Sieht sie. Und als wüsste er, dass sie Ärger machen wird, lässt er langsam Messer und Gabel sinken. Die Gespräche an den Nachbartischen geraten ins Stocken und ersterben. Der Mann greift zu seiner Serviette und wischt sich den Mund ab.
»Hallo, Jacqui.« Er legt die Serviette säuberlich auf den Tisch. »Wie schön, Sie zu sehen.«
» Fuck you .« Sie legt die Hände auf den Tisch und stiert ihn herausfordernd an. » Fuck you von hier bis übermorgen, du Drecksack.«
Er nickt, als wolle er bestätigen, dass er tatsächlich ein Drecksack sei. Aber er sagt nichts, und das macht die Frau nur noch wütender. Sie schlägt mit beiden Händen auf den Tisch, sodass alles in die Höhe springt. Eine Gabel und eine Serviette fallen auf den Boden.
»Sieh mal einer an! Der Kerl sitzt da und isst einfach. Isst und lässt es sich gut gehen. Scheiße, Sie sind wirklich das Allerletzte, was?«
»Hallo?« Der Kellner berührt ihren Arm. »Madam? Könnten Sie vielleicht versuchen, dieses Gespräch etwas leiser zu führen? Sonst …«
»Verpiss dich.« Sie schlägt seine Hand beiseite. »Aber sofort. Du hast doch keine Ahnung, wovon du redest.« Sie schwankt zur Seite und greift nach dem erstbesten Glas, das sie sieht. Es steht auf dem Nachbartisch, ein volles Glas Rotwein. Der Gast, der es bestellt hatte, versucht vergebens, es festzuhalten. Sie schwenkt es herüber und schleudert den Wein auf den Mann in der Windjacke. Der Wein hat sein eigenes Leben, und er scheint den Weg überallhin zu finden. Er landet auf seinem Gesicht, auf seinem Hemd, auf dem Teller und auf dem Tisch. Andere Gäste springen erschrocken auf, nur der Mann bleibt sitzen. Absolut kühl.
» Fuck , wo ist sie?«, kreischt die Frau. »Wo ist sie? Scheiße, Sie sagen mir jetzt, was Sie in der Sache unternehmen, oder ich bringe Sie um … fuck , ich bringe Sie …«
Zwei Sicherheitsleute sind erschienen. Ein großer Schwarzer in einem grünen T-Shirt und mit einem Headset hat das Kommando. Er legt ihr eine Hand auf den Arm. »Schätzchen«, sagt er, »das bringt Sie nicht weiter. Lassen Sie uns irgendwo hingehen und ein bisschen plaudern.«
»Ihr glaubt, ich bin zum Plaudern hier?« Sie stößt seinen Arm weg. »O ja. Ich werde plaudern. Ich werde euch so lange was plaudern, bis ihr tot umfallt. Ich plaudere, bis ihr kotzt.«
Der große Mann nickt beinahe unmerklich, und sein Kollege packt ihre Arme und drückt sie an ihren Körper. Sie sträubt sich und schreit weiter aus voller Lunge, als sie durch das Restaurant zurück zur Tür geschoben wird. »Er weiß , wo sie ist.« Sie richtet ihre Wut gegen den Sicherheitschef, den das einen Scheißdreck interessiert. »Es ist ihm egal. Es ist ihm EGAL . Das ist das Problem. Fuck , es ist ihm einfach …«
Die Männer schieben sie zur Tür hinaus. Sie schließen die Tür und bleiben davor stehen, den Blick nach außen gewandt, die Arme verschränkt. Sie wälzt sich auf dem Pflaster. Der Mann in der Windjacke steht nicht auf und schaut auch nicht zur Tür. Wenn jemand
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