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Die Puppe: Psychothriller (German Edition)

Die Puppe: Psychothriller (German Edition)

Titel: Die Puppe: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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offensichtlich an die Nieren: Einer der Männer hat am Tag darauf seine Kündigung eingereicht und ist Lehrer geworden. Anscheinend hat er nie jemandem erklärt, warum.
    Caffery tritt ein, geht in die Hocke und hebt eine Ecke des Teppichs hoch. Die Dielen darunter sind glatt und blank wie alle anderen, aber es gibt einen kaum merklichen Unterschied im Farbton, eine etwas dunklere Patina in der Maserung. Alle nachfolgenden Eigentümer haben die Blutflecke nicht restlos beseitigen können.
    Er hält sein Telefon vor die neue Version des Zimmers und zoomt das Foto von Louise heran, das aus dieser Perspektive aufgenommen worden ist. Sie trägt eine Jogginghose und ein Dunlop-T-Shirt und liegt mit aufgesperrtem Mund auf dem Rücken. Blut läuft aus den Mundwinkeln auf den Kiefer. Ihre Ohren und ein paar Zähne fehlen.
    Caffery hebt den Kopf und sieht sich um – versucht, sich vorzustellen, wie das minimalistisch eingerichtete Zimmer mit den vorhanglosen Fenstern in den Neunzigern wohl ausgesehen hat: altes, klobiges Mobiliar, schwere Vorhänge an den dunklen Fenstern. Er schließt die Augen und kreiselt durch die Jahre zurück. Es bedeutet keinen großen Sprung für ihn, sich diese Ära vorzustellen, und es bringt ihn nicht näher an den Punkt, an dem er erkennen könnte, was an dem ganzen Szenario nicht stimmt.
    Nein. Er ist noch nicht so weit.
    Er schaut sich ein letztes Mal im Zimmer um und geht dann durch den Korridor zurück und die Treppe hinunter. Draußen haben die Wolken sich für einen Augenblick verzogen. Fahles Sonnenlicht überflutet den Hof und blitzt auf der Frontscheibe seines Wagens. Er denkt an die Frau, die die Morde angezeigt hat. Was kann sie gesehen haben? Was hat sie aufmerksam gemacht?
    Caffery dreht sich um und schätzt den Abstand von hier bis zur Straße. Schon das stimmt nicht – der untere Teil des Hauses ist von der Straße aus nicht zu sehen. Im Tatortbericht heißt es, Pilson habe den Anruf angenommen und sei um 18 Uhr 45 hier gewesen. Er habe eine Blutspur verfolgt, die vom Haus zur Scheune führte. Der Zaun und die Fläche mit den Sandsteinplatten sind neu. Vor fünfzehn Jahren wäre zwischen Haus und den beiden Scheunen nur der betonierte Hof gewesen. Ein Polizist, der auf einen Notruf hin anrückt, würde vor dem Haus anhalten und erst einmal nach Verletzten suchen. Dem Bericht zufolge stand die Haustür offen. Der Abstand zwischen dem Haus und der Scheune beträgt ungefähr fünfundzwanzig Meter. Warum also ist Harry Pilson nicht zuerst ins Haus gegangen?
    Caffery geht hinüber zur rechten Scheune. In dieser Scheune, der größeren der beiden, wurde Handel in die Enge getrieben und verhaftet. Das große Tor ist mit einem Vorhängeschloss gesichert, und Caffery versucht es mit der kleinen Eingangstür. Sie ist verriegelt, aber nicht verschlossen, und er öffnet sie. Die Scheune wird immer noch benutzt, um Stroh und Heu zu lagern. Drinnen ist es überraschend warm und staubig, und Geräusche von außen sind gedämpft. Er blinzelt, und seine Augen passen sich an das Halbdunkel an. Ein grauer Sonnenstrahl fällt rechts neben ihm schräg durch die halb offene Tür, lässt die Heustäubchen in der Luft aufleuchten und wirft ein kleines Viereck aus Licht auf den Boden der Scheune. Er hört ein Geräusch – tork tork . Ein halbes Dutzend Hühner kommen aus der Dunkelheit in das helle Viereck stolziert, und dort fangen sie an, auf dem Boden zu scharren und zu picken und nach Insekten und verstreuten Körnern zu suchen.
    Caffery sieht sich das Bild auf seinem Telefon an. Pilson hat gesagt, er habe Handel auf dem Heuboden entdeckt – und zwar genau von hier aus. Der Heuboden ist beinahe direkt über ihm, und Caffery reckt den Hals und sucht nach dem richtigen Blickwinkel. Aber er sieht nur die Planken über sich; den Rand des Heubodens kann er nicht erkennen. Er betritt die Scheune und legt die Handfläche an die Tür, damit sie nicht zuschlägt und das Licht aussperrt. Der Rand des Heubodens ist immer noch nicht in seinem Blickfeld.
    »Und das kann einfach nicht stimmen«, murmelt er. Er klemmt seinen Schlagstock zwischen Tür und Rahmen und geht zwei Schritte weiter hinein. Die Hühner stieben lärmend auseinander und in die Dunkelheit. Wieder starrt er zum Heuboden hinauf.
    Lange bleibt er so stehen und denkt an den Anruf, an die Blutspur und den ganzen anderen Bullshit in dem Bericht. Yep, denkt er. Bullshit .
    Das war es, was ihn die ganze Zeit gestört hat. Sergeant Harry Pilsons

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