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Die Puppe: Psychothriller (German Edition)

Die Puppe: Psychothriller (German Edition)

Titel: Die Puppe: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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wohnt. Wenn ja, wird er Caffery Adresse und Telefonnummer mitteilen.
    In den Neunzigern standen weit draußen auf dem Land, wo die großen Telekommunikationsfirmen noch nicht über ein ausgebautes Netz verfügten, Telefonzellen. Der Anruf, der Sergeant Pilson erreichte, kam von einer Zelle unmittelbar südlich der Upton Farm. Eine Frau, die dort vorbeifuhr, hatte bemerkt, dass etwas nicht stimmte. Sie war weitergefahren bis zu der Telefonzelle und hatte angerufen. Sie nannte Namen und Adresse, aber als die Ermittler die Zeugin aufsuchen wollten, stellten sie fest, dass die Adresse nicht existierte. Entweder hatte sie gelogen, oder Pilson hatte – wie er selbst eingestand – ihre Angaben womöglich nicht korrekt aufgeschrieben. Zeitungsaufrufe, in denen die Person dringend gebeten wurde, sich zu melden, blieben erfolglos. Am Ende war dies die einzige Unklarheit in einem ansonsten wasserdichten Fall.
    Die Upton Farm liegt ungefähr so hoch, wie man in diesem Teil der Welt gelangen kann, und je näher Caffery kommt, desto dichter werden die Wolkenschleier. Die Luft wird weiß, die Sicht immer schlechter. Er fährt am Westrand eines dunklen Kiefernwalds der Forstverwaltung entlang und biegt dann nach Norden. Als er auf die Farm zufährt, fallen ein paar Regentropfen. Es ist, als erreiche er den Himalaya. Ein Schild steht am Straßenrand: Upton Farm Cottage – Ferienwohnung frei.
    Die Gegend sieht aus wie die, in der Caffery wohnt – aber sie liegt höher und ist einsamer. Er biegt in die Zufahrt ein, und das Haus kommt in Sicht. Es ist ein hübsches, dreigeschossiges edwardianisches Haus aus bläulichgrauem Schiefer. Das Schindeldach ist neu, und die Fensterrahmen sind frisch gestrichen. In den blanken Scheiben spiegeln sich die Nadelbäume ringsum. Zwei große Scheunen aus pechbehandeltem Holz stehen auf der anderen Seite des betonierten Vorplatzes. Hinter ihnen sind die Wolken herangerückt, und wo man ferne Berge sehen müsste, steht eine undurchdringliche Wand aus waberndem Weiß.
    Caffery parkt vor dem Haus. Der Betonboden ist stellenweise aufgerissen und mit Platten aus York-Sandstein ersetzt worden, was nicht so recht zu dem Ensemble passt. Zwei Lorbeerbäumchen in Kübeln stehen rechts und links neben der Haustür. Ein Stiefelabkratzer im edwardianischen Stil auf der linken Seite der Türschwelle vervollständigt das Bild. Ländliche Eleganz.
    Er schließt die Haustür auf und tritt ein. Im Haus riecht es nach Möbelpolitur und Lufterfrischer, und überall verteilt stehen Trockenblumensträuße. Das Treppengeländer ist aus blankpoliertem Eichenholz, und ein strapazierfähiger Sisalläufer führt auf der Stufenmitte nach oben. Er hat die Tatortfotos auf sein Telefon übertragen, und jetzt öffnet er die, die im Flur aufgenommen wurden, und vergleicht sie mit dem, was er vor sich sieht. In den Neunzigern war das Treppengeländer geschlossen, und die Wände waren mit einem Tüpfelmuster tapeziert. Da, wo er jetzt steht, war die Wand von blutigen Handabdrücken übersät.
    Die Handabdrücke waren eindeutig zugeordnet worden. Handel hatte seine Eltern gefoltert, getötet und verstümmelt – daran gab es keinen Zweifel. Das ist es nicht, was hier nicht stimmt. Es ist etwas anderes. Aber Caffery hat keine Ahnung, was. Langsam geht er die Treppe hinauf und öffnet Augen, Ohren und Geist füralles, was dieses Haus kommunizieren kann.
    Das Zimmer, in dem Graham und Louise Handel gefunden wurden, liegt gleich rechts von der Treppe. Als Isaac hier wohnte, war der Korridor dunkel. Auf dem Boden lag ein grüner Axminster-Teppich mit einem verschlungenen Laubmuster. Jetzt sind die Bodendielen blank – abgezogen und gewachst. Die Fotos auf Cafferys Telefon zeigen sieben gerahmte Drucke an der Wand. Alle hängen schief nach all der Gewalt, die hier gewütet hat. Jetzt sind die Wände kahl. Und grau gestrichen.
    Langsam öffnet er die Zimmertür. Die Vorhänge sind offen, das Licht drinnen ist milchig und flach. Auch hier sieht alles völlig verändert aus. Ein Kastenbett aus Eichenholz mit einem verschnörkelten, lederbezogenen Kopfbrett steht an der Stelle des Diwans, und ein dickes Schaffell am Fußende bedeckt den Ort, an dem Isaacs Eltern gestorben sind.
    Der Stolperdraht spannte sich auf halbem Wege zum Bett. Das Bombenentschärfungsteam musste wenige Zoll weit von Grahams und Louises verstümmelten Leichen entfernt arbeiten. Die Männer dürften an Blutbäder gewöhnt gewesen sein, aber dieses Erlebnis ging ihnen

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