Die Puppe: Psychothriller (German Edition)
Bericht ist komplett gelogen.
Püppchen
Die Marmeladen sind in den Gläsern und brauchen jetzt Zeit zum Abkühlen. Penny liegt auf dem Sofa unter einer Wolldecke. Sie ist müde – sie hat nicht gut geschlafen, und heute Morgen beim Aufwachen gab es keinen Zweifel: Der Quilt neben ihr war warm. Sie hat ihn überall befühlt und versucht zu verstehen, wie dies zustande gekommen sein könnte. Die Fensterläden waren nicht offen, sodass die Sonne nicht hereinschien, und sie hat auch nicht darauf gelegen, sie war in ihre Decke gewickelt. Es gab keine Erklärung. Es war einfach, als sei Suki da gewesen.
Seufzend legt sie die Hände hinter den Kopf und starrt an die Decke. Die Unterseite der Wolldecke scheuert an ihren Brüsten – eine plötzliche, knisternde Erinnerung daran, wie es war, ein sexuelles Wesen zu sein. Die Sinnlichkeit war Pennys Untergang. Über die Jahre hat sie zu viel gegessen und zu viel getrunken und zu viel geliebt, und alles immer am falschen Ort. Als junger Mensch muss man sich anhören, dass eine bestimmte Art von Ausschweifigkeit, eine mutwillig hedonistische Ader, zu nichts Gutem führen wird. Man glaubt es aber nicht, bis es – siehe da – zu nichts Gutem geführt hat.
Vor fünfzehn Jahren war Penny verheiratet. Nicht glücklich, aber respektabel und ohne Bitterkeit. Nicht viel Sex, aber auch nicht viel Streit und Gift. Dann haben ihre Hormone das alles sabotiert. Sie hat die Handels auf einem Dorffest kennengelernt, und nach kurzer Zeit haben sie und ihr Mann sich mit dem attraktiven Ehepaar von der Upton Farm angefreundet. Graham vor allem sah gut aus – groß und von einem Hauch von Gefahr umweht, der Pennys Sinne hellwach werden ließ. Graham seinerseits brauchte nur einen Blick auf die hübsche Köchin zu werfen, die da in die Old Mill gezogen war, und schon wusste er genau, wohin das Leben ihn führen würde. Penny hatte überhaupt keine Chance.
Die Affäre entwickelte sich langsam und fast unter der Nase der jeweiligen Ehepartner. Louise Handel war oft geschäftlich unterwegs, und so konnten Graham und Penny viel Zeit miteinander verbringen. Sie erfuhr eine Menge über die Handels und ihr Leben. Mehr, als sie wissen wollte. Sie erfuhr, dass sie einen Sohn hatten, der aber nicht in die örtliche Schule ging, sondern in eine »spezielle« Schule« außerhalb des Countys gebracht wurde. Isaac fehlte eindeutig etwas. Er war in sich gekehrt und konnte niemandem in die Augen sehen; wenn Penny ihm gelegentlich mit seinen Eltern begegnete, versuchte sie zu ihm durchzudringen, aber es gelang ihr nicht.
Manchmal, wenn Louise verreist war, schickte Graham seinen Sohn zum Spielen nach draußen, und er und Penny schlossen sich in dem freien Schlafzimmer im oberen Stock ein. Penny war beunruhigt wegen Isaac da draußen – sein Schweigen war verstörend –, und vielleicht ahnte er ja, was oben vor sich ging. Vielleicht würde er es seiner Mutter erzählen. Nach dem Sex schaute sie aus dem Fenster unter dem Dach hinunter und beobachtete Isaac beim Spielen – immer allein und ein bisschen zu kindlich für einen Dreizehnjährigen, der eigentlich mit seinen Freunden einen Fußball durch die Gegend kicken sollte. Meistens hockte er am Boden und war völlig vertieft in irgendetwas, das nur er verstand. Er machte etwas.
Eines Tages, als Isaac in der Schule war, kam Penny zufällig an seinem Zimmer vorbei, als sie sich ein Glas Wasser holen wollte. Normalerweise wäre sie geradewegs daran vorbeigegangen – sie hatte sich vorgenommen, niemals im Leben von Grahams Familie herumzuschnüffeln. Aber heute … Graham war unter der Dusche, Louise war auf Geschäftsreise, und Isaacs Tür stand offen. Die Versuchung war zu groß. Auf seinem Bett lag eine kleine Dose. Neugierig schlich sie sich ins Zimmer, setzte sich auf das Bett und machte die Dose auf. Sie enthielt eine Sammlung von sonderbaren kleinen Puppen aus Lederfetzen und kleinen Hölzchen. Eine trug einen grob zusammengenähten Jogginganzug aus Stoffstücken, die Jenny erkannte: Sie gehörten Louise. Die andere Puppe war männlich, und sie trug eine Hose aus braunem Cord – und sie sah aus wie eine, die in Grahams Kleiderschrank hing.
Penny sagte Graham lieber nichts von den Puppen. Sie wusste nicht genau, warum nicht – weil sie so beunruhigend aussahen? Oder weil sie ihr vorkamen wie ein geheimer Schlüssel zur privaten Welt ihres Liebhabers?
In den nächsten Wochen ging sie immer öfter in Isaacs Zimmer, und aus dem, was sie dort fand,
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