Die Puppenmacherin: Psychothriller (German Edition)
sie tonlos: »Es war Karl Junker. Ich bin mir sicher, dass er noch am Leben ist.«
Trojan holte tief Luft. Vielleicht war das in ihrem Falle sogar eine verständliche Reaktion. Wenn jemand so traumatisiert war wie sie, lebte der Täter ewig in der Vorstellungswelt weiter, und die Angst wollte einfach nicht vergehen.
Und dann schoss ihm ein furchtbarer Gedanke durch den Kopf: Möglicherweise war der Federmann ja auch noch am Leben. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Er dachte an Jana, mit einem Mal fühlte er sich entsetzlich einsam. Er wollte bei ihr sein.
In diesem Moment klingelte sein Handy. Nachdem er sich kurz bei Josephin Maurer entschuldigt hatte, ging er in den Flur und hob ab. Es war seine Tochter.
»Paps, ich bin zurück!«
»Emily! Wie schön! Wie war dein Urlaub?«
»Ach, es war toll, wir hatten schönes Wetter, das Haus war riesig, von meinem Zimmer aus konnte ich aufs Meer schauen, ich hab jeden Tag im Atlantik gebadet, und wir haben eine Schluchtenwanderung gemacht. Die Landschaft da ist einfach irre.«
»Wie war der Flug? Du hattest doch Angst vorm Fliegen.«
»Alles kein Problem, Paps. Mama hat mir Baldrian gegeben. Ich hab sogar am Fenster gesessen.«
Er musste lächeln. Glücksgefühle durchrieselten ihn. Endlich war sie wieder in der Stadt. Er fragte sie, wann sie sich sehen könnten, und sie antwortete: »Jetzt, sofort!«
»Das geht leider nicht, Emily, ich hab hier noch zu tun.«
»Och, Papa, du arbeitest einfach zu viel.«
»Da hast du recht, Em«.
»Aber nächste Woche hast du frei, und wir fahren an die Ostsee, und weißt du was? Ich freue mich wahnsinnig auf den Urlaub mit dir!«
Es versetzte ihm einen Stich.
Er musste den Täter dringend zur Strecke bringen, es durfte keine weiteren Opfer mehr geben.
Wann würde er nur endlich mehr Zeit für seine Tochter haben?
»Paps, bist du noch dran?«
»Ja.«
»Du bist wahrscheinlich gerade wieder auf Verbrecherjagd, stimmt’s?«
Hinter ihm ging Josephin Maurer in die Küche, sie begann, mit Töpfen und Tellern zu klappern. Emily schien es auch gehört zu haben.
»Oder bist du bei Doro?« Sie lachte. »Hab ich recht, Doro kocht für dich, und ihr macht euch einen schönen Abend?« Er vermutete, dass seine Tochter sich insgeheim noch immer wünschte, ihre Eltern würden eines Tages wieder zusammenkommen, aber Doro mochte sie auch sehr, und letztlich wollte sie wohl nur, dass es ihrem Vater gut ging.
»Nein, ich muss mich hier um eine –« er senkte die Stimme, weil er den Ausdruck selbst nicht mochte, aber es war nun mal der polizeiinterne Begriff, » – Geschädigte kümmern und –.«
»Du«, unterbrach sie ihn, »was hältst du von morgen Abend? Ich komme zu dir und zeige dir meine Fotos von La Palma.«
Und dann sprudelte es wieder aus ihr heraus, und sie erzählte ihm von ihrer neuen Digitalkamera und was für schöne Aufnahmen sie machte. Schließlich verabredeten sie sich für Freitagabend, und er legte auf.
Als er in die Küche kam, war Josephin Maurer dabei, Spaghetti zu kochen.
»Ich dachte, Sie haben Hunger, und ich muss schließlich auch mal was essen.«
»Danke. Und entschuldigen Sie noch mal, das war meine Tochter, sie ist gerade aus dem Urlaub zurück.«
»Wie alt ist sie?«
»Fünfzehn.«
Sie sah ihn an. Er bemerkte, dass sie zu lächeln versuchte.
»Ich bin geschieden und –.«
Aber er brach ab. Was sollte er ihr von sich selbst erzählen, er war doch hier, um sie zu schützen.
Plötzlich trat sie auf ihn zu. »Herr Trojan«, sagte sie, »ich hab eine große Bitte. Ich –.«
Ihre Stimme brach, und er nahm sie in die Arme.
Für einen Moment war ihm, als sei es Emily, die sich an ihn drückte und Trost bei ihm suchte.
»Bitte, könnten Sie vielleicht über Nacht bei mir bleiben?« , flüsterte sie.
Er hielt sie einfach nur fest.
»Haben Sie keine Angst«, sagte er, »heute gehe ich nicht mehr fort.«
Später aßen sie, und er hörte ihr zu, sie sprach immerzu von Karen, und dann erzählte sie ihm von der Party, auf der sie Milan kennengelernt hatte, und dass es Liebe auf den ersten Blick gewesen sei.
Er wollte sich noch einmal bei ihr erkundigen, ob sie nicht doch wüsste, wo er sein könnte, aber er fürchtete ihre Reaktion und verkniff sich die Frage. Sie trank ihren Wein sehr hastig, er wollte sie zunächst bremsen, doch dann ließ er sie einfach gewähren. Er verstand ja, dass sie ihren Schmerz auf irgendeine Art betäuben musste.
Einmal stand sie wortlos auf, verließ die Küche und
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