Die Puppenmacherin: Psychothriller (German Edition)
er.
Nun war er sein Gefangener.
Er klammerte sich an den Ringen fest.
»Was hast du vor?«
Er schloss die Augen. Wie ein Fallbeil traf ihn die Erschöpfung, er begann zu zittern, Erinnerungsbilder von der Hypnose traten so deutlich vor ihn, dass er nicht mehr unterscheiden konnte, was Wirklichkeit und was Einbildung war, und mit einem Mal vernahm er wieder die dunkle gepresste Stimme, mit der Josephin in Janas Behandlungszimmer gesprochen hatte.
KOMM HER ZU KARLI. NUN MACH SCHON.
Warum Karli?, dachte er. War es Karl oder sein Bruder? Oder war es jemand ganz anderes? Warum sprach er mit verstellter Stimme? Hatte ihm Karl etwas angetan? Was bezweckte er mit seinem Handeln? Warum sagte er zu seinem Opfer, »komm her«, wenn es gefesselt war?
NEIN, HEUTE KOMM ICH NICHT ZU KARLI.
Er rang nach Luft.
Näherten sich da Schritte? Oder war das bloß seine Einbildung? Sein Herz raste. Es war zu dunkel. Angstschauer jagten über seinen Rücken.
Seine Hände glitten von den Eisenringen ab. Plötzlich ertasteten sie eine Unebenheit. Und seine Fingerkuppen fuhren über eine verkrustete Masse.
Entsetzt rappelte er sich auf. Wo war der Lichtschalter?
Er taumelte durch den finsteren Raum. Endlich hatte er ihn neben der Tür ertastet und drehte ihn herum.
Das Neonlicht blendete ihn kurzzeitig. Er starrte auf die Eisenringe, ging davor in die Hocke. Tatsächlich, einer der Steine in der Wand ragte um wenige Millimeter hervor, und die Kanten waren anstelle von Mörtel mit Bauschaum verfugt. Staub und Dreck hatten die Masse so sehr verdunkelt, dass sie sich kaum vom Mörtel der anderen Steine abhob.
Er stürmte hinaus. In einer Kiste im Gang fand er Werkzeug, er nahm sich ein Stemmeisen und einen Hammer heraus und eilte zurück in den Heizungskeller.
Lange Zeit bearbeitete er mit Eisen und Hammer die Bauschaumfugen. Schließlich lockerte sich der Stein. Er zog ihn heraus.
Dahinter befand sich ein Hohlraum. Er schob die Hand hinein, tiefer und tiefer.
Da war etwas, unter seinen Fingern. Und dann hörte er sich schreien.
DREIUNDZWANZIG
S eit zwei Tagen beobachtete er bei seinem Freund eine gewisse Trägheit und eine Unsicherheit in den Bewegungsabläufen. Wenn er ihn aus dem Puppenhaus nahm und sein Fell untersuchte, waren auf dem Bauch, hinter den Ohren und am Hals kleine Ausbeulungen zu spüren.
Er blätterte in seinem Ratgeber. Danach warf er das Buch zornig in die Ecke.
Eine geringe Lebenserwartung. Wesen seiner Art starben oft an Tumorerkrankungen.
Er setzte ihn zurück ins Puppenhaus und schloss die Gittertür.
Der Fressnapf blieb unberührt. Nicht einmal an der Hängematte und den Papprollen zum Spielen schien er Interesse zu haben.
Sein Freund regte sich nicht, trüb der Blick, glanzlos sein Fell.
Er ballte die Hand zur Faust.
Schloss die Augen und wartete darauf, dass es endlich wieder hell wurde um ihn herum.
Es war Zeit, den Plan zu Ende zu bringen.
Höchste Zeit.
Johannes Maurer stand am Fenster seines Hotelzimmers und schaute auf die Tafelbucht hinaus. Der Feuerball der Abendsonne war kurz davor, im Atlantik zu versinken. Für ein paar Sekunden versuchte er, diesen phantastischen Ausblick zu genießen und sich dem Gefühl innerer Zufriedenheit nach einem bisher erfolgreichen Arbeitstag hinzugeben, bis er wieder an den Stapel Unterlagen denken musste, der für die abendliche Konferenz noch durchzusehen war.
Er beschloss, sich zunächst einen Drink aus der Minibar zu gönnen, als sein Blackberry zu vibrieren begann. Das Display zeigte einen anonymen Anrufer an, dennoch hob er ab und meldete sich mit seinem vollen Namen.
»Guten Tag, Herr Maurer, hier ist Torsten Heller von der Credit Suisse, Ihre Sekretärin war so freundlich, mir Ihre Handynummer anzuvertrauen.«
»Ach ja? Worum geht es denn?«
»Das kann ich mit Ihnen am Telefon leider nicht besprechen, nur so viel: Es handelt sich um ein paar Detailfragen zur Finanzierung Ihres neuen Projekts. Ich könnte Ihnen noch für heute Abend einen Gesprächstermin in Kapstadt anbieten. Wenn das für Sie möglich wäre?«
Maurer runzelte die Stirn. Seine Sekretärin hätte ihn doch längst informieren müssen.
»Heller war der Name?«
»Ja. Ich glaube, wir sind uns noch nicht persönlich begegnet, aber ich bin von nun an für die finanzielle Absicherung sämtlicher Transaktionen Ihrer Firma in Südafrika zuständig. Wo erreiche ich Sie gerade?«
»Ich bin in der Stadt.«
»Gut. Das ist ja wunderbar.«
»Sollen wir uns treffen?«
»Gern. Ich
Weitere Kostenlose Bücher