Die purpurnen Flüsse
di e Auge n feuch t vo n de r Kälte . E r warf Vermon t eine n fragende n Blic k zu , de r ih m mi t einer unmißverständliche n Gest e antwortete : Nichts.
Sekundenlan g wandt e de r Kommissa r de n Blic k nich t vo n den Uniformen , doc h i n Gedanke n wa r e r anderswo . E r dacht e a n die beide n Frauen . Di e ein e zä h un d dunke l wi e Borke , mi t kräftigen Muskeln , eine r matten , samtige n Hau t un d de m Duf t nac h Har z und zerriebene n Kräutern . Di e andere , zerbrechlic h un d abweisend, verbreitet e Unbehagen , ein e mi t Angs t gemischt e Aggressivität , die Niéman s nich t minde r faszinierte . Wa s verbar g diese s kantige Gesicht , da s s o verstören d schö n war ? Hatt e ih r Man n si e tatsächlich geschlagen ? Wa s wa r ih r Geheimnis ? Un d wi e gro ß mochte n ihre Traue r un d ih r Schmer z sein , nachde m si e di e zerschunden e Leiche ihre s Manne s gesehe n hatte , di e s o unendlich e Leide n verriet?
Niéman s stan d au f un d tra t a n ei n Fenster . Übe r de n Berge n warf di e Sonn e leuchtend e Strahle n durc h di e Wolken , di e wi e lange Wunde n i m schwärzlic h geschwollene n Fleisc h de s Gewitters aussahen . Unte n i m Ta l sa h Niéman s di e grauen , einförmige n Häuser vo n Guernon , di e Däche r mi t viele n Ecke n un d Vorsprüngen , die Dachlawine n verhinder n sollten , di e dunkle n Fenster , klei n und quadratisc h wi e altersdunkl e Bilder , de n Fluß , de r di e Stadt durchquert e un d a n de r Gendarmeri e vorbeifloß . Wiede r legte n sich di e Gesichte r de r beide n Fraue n übe r da s Bild . Be i jede m neue n Fall martert e ih n wiede r dasselb e Gefühl . De r Druc k de r Fahndung weckt e sein e Sinne , stachelt e ih n z u eine r Jag d andere r Ar t an, fiebri g un d leidenschaftlich . Nu r i n diese m aufgeladenen, kriminelle n Klim a verliebt e e r sich : i n Zeuginnen , Verdächtige, Huren , Kellnerinne n … Di e Brünett e ode r di e Blonde ? Sein Mobiltelefo n läutete . E s wa r Antoin e Rheims . »Ic h komm e gerade vo m Hôtel-Dieu.«
Niéman s hatt e de n Vormitta g verstreiche n lassen , ohn e auc h nur dara n z u denken , i n Pari s anzurufen . Wi e ei n explosive r Bumerang ka m de r Zwischenfal l a m Stadio n nu n wiede r z u ih m zurück . »Die Ärzt e versuche n gerad e ein e fünft e Transplantation , u m sei n Gesicht z u retten« , fuh r Rheim s fort . »De r Man n ha t praktisc h kein e Haut meh r au f de n Schenkeln , sovie l habe n si e ih m abgenommen . Un d das is t keinesweg s alles . E r ha t ei n Aug e verlore n un d ei n dreifaches Schädeltrauma . Siebe n Frakture n de r Gesichtsknochen . Sieben, Niémans . De r Unterkiefe r is t tie f in s Kehlkopfgeweb e eingedrungen. Knochensplitte r habe n ih m di e Stimmbände r zerrissen . E r lieg t im Koma , abe r selbs t wen n e r überlebt , wir d e r ni e meh r sprechen . Nach Aussag e de r Ärzt e hätt e nich t einma l ei n Autounfal l derartige Schäde n anrichte n können . Has t d u ein e Idee , wa s ic h ihne n sagen soll ? Un d de r britische n Botschaft ? Un d de n Medien ? Wi r beide kenne n un s scho n lange . Un d ic h glaube , wi r sin d befreundet . Aber ic h glaub e auch , da ß d u ein e wild e Besti e bist. « Niéman s spürte sein e Händ e zittern . »De r Ker l wa r ei n Mörder« , ga b e r zurück.
»Verdammt , bis t d u vielleich t wa s Besseres? « Niéman s antwortete nicht . E r wechselt e de n schweißfeuchte n Appara t vo n de r einen Han d i n di e andere . »Wi e komms t d u mi t de n Ermittlunge n voran?« fragt e Rheims . »Langsam . Kein e Hinweise . Kein e Zeugen . Die Geschicht e is t weitau s komplizierte r al s erwartet.«
»Ic h hab’ s di r gesagt ! Wen n di e Medie n rausfinden , da ß d u in Guerno n bist , falle n si e übe r dic h he r wi e di e Räud e übe r de n kahlen Hund . Wa s fü r ein e Idee , dic h dor t hinzuschicken! « Rheim s legte abrup t auf . Niéman s verharrt e minutenlan g reglos , mi t starre m Blick un d ausgedörrte r Kehle . I n grelle n Bilder n blitzte n di e Gewaltakte de r vergangene n Nach t noc h einma l auf . Sein e Nerve n hatte n ih n im Stic h gelassen . I n eine m Anfal l blinde r Wu t hatt e e r de n Mörder zusammengeschlagen , eine r Wut , di e ih n überschwemm t un d jeden andere n Gedanke n ausgelösch t hatte , bi s au f de n Wunsch , de n Feind, de n e r gepack t hielt , noc h i n derselbe n Sekund e z u vernichten . Seit jehe r hatt e Pierr e Niéman s i n eine r Wel t de r
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