Die purpurnen Flüsse
Gewal t und Verkommenhei t gelebt , di e wil d un d grausa m war ; e r fürchtet e sich nich t vo r de r Gefahr . I m Gegenteil , e r hatt e si e imme r gesucht , ihr geschmeichelt , u m sic h ih r besse r stellen , si e besse r z u beherrschen z u können . Doc h mi t de r Beherrschun g wa r e s vorbei . Mi t de r Zeit hatt e di e Gewal t sic h seine r bemächtigt , wa r tie f i n ih n eingedrungen, un d e r selbs t wa r nu r noc h Schwäche , ei n Abglanz . Un d e r hatt e es nich t geschafft , sein e Ängst e z u besiegen : Irgendw o i n eine m Winkel seine s Kopfe s heulte n imme r noc h di e Hunde.
Au f einma l zuckt e e r zusammen : Da s Telefo n läutet e erneut . Es wa r Mar c Costes , de r Gerichtsmedizine r – triumphierend.
»Ic h hab e Neuigkeiten , Her r Kommissar . Wi r habe n eine n sehr solide n Hinweis . E s geh t u m da s Wasse r unte r de n Augenlidern . Ich hab e soebe n di e Ergebniss e de r Analys e erhalten.«
»Und?«
»Da s Wasse r stamm t nich t au s de m Fluß . E s hör t sic h unglaublich an , abe r s o is t es . Ic h arbeit e mi t eine m Chemike r vo n der Kriminaltechni k i n Grenobl e zusammen , Patric k Astier . Ein e Kanone i n seine m Fach . I n unsere r Prob e ha t e r völli g andere Schadstoffwert e festgestell t al s i m Flußwasser . Ei n haushoher Unterschied , sag t er.«
»Drüc k dic h genaue r aus.«
»Da s Wasse r au s de n Augenhöhle n enthäl t H 2 S O 4 un d HNO 3 , also Schwefelsäur e un d Salpetersäure . De r pH-Wer t is t drei , als o ziemlich sauer . Beinah e wi e Essig . Dies e Wert e bedeute n ein e wertvolle Information.«
»Versteh e ic h nicht . Wa s sol l da s heißen?«
»Ic h wil l Si e nich t mi t technische n Detail s langweilen , aber Schwefelsäur e un d Salpetersäur e sin d Derivat e vo n S O 2 , Schwefeldioxid , un d NO 2 , Stickstoffdioxid . Lau t Auskunf t von Astie r erzeug t nu r ei n einzige r Industriezwei g diese Dioxidmischung : Kraftwerke , di e Braunkohl e verbrennen . Also uralt e Modelle . Astie r folger t daraus , da ß da s Opfe r i n de r Nähe eine s Orte s umgebrach t ode r jedenfall s dorthi n verfrachte t wurde , wo e s ei n Kohlekraftwer k gibt . Finde n Si e ei n solche s Kraftwer k i n der Region , un d Si e habe n de n Tatort.«
Niéman s starrt e au f de n Himmel , a n de m di e Rände r schwarzer Wolke n i n de r hartnäckige n Sonn e gleißen d hel l funkelten , wi e die silberne n Schuppe n eine s riesige n Lachses . Vielleich t hatt e e r jetzt endlic h ein e Spur.
»Schick ’ mi r di e Zusammensetzun g diese s Wassers« , befah l er.
»Übe r da s Fa x vo n Barnes.«
Al s de r Kommissa r di e Bürotü r öffnete , erschie n Eri c Joisneau.
»Ic h such e Si e überall . Ic h ha b ein e Information , di e vielleicht wichti g ist.«
Konnt e e s sein , da ß di e Fahndun g allmählic h ihre n Rhythmus fand ? Niéman s tra t zurüc k in s Bür o un d schlo ß di e Tür . Joisneau blättert e nervö s i n seine m Notizbuch.
»Ic h hab e festgestellt , da ß e s au f halbe r Höh e de s Sept-Lau x eine Augenklini k fü r Kinde r un d Jugendlich e gibt . Offensichtlich stamme n viel e Patiente n au s Guernon . Di e Kinde r sin d keineswegs all e vo n Gebur t a n blind , sonder n leide n unte r verschiedenen Krankheiten , di e zu r Erblindun g führen , graue n Star , Retinopathia pigmentosa , Glaukome n un d s o weiter . Offensichtlic h sin d auch auffälli g viel e Fäll e vo n Farbenblindhei t bekannt , di e allerding s nicht behandel t werden . I n Guerno n komme n überdurchschnittlic h viele Augenkrankheite n vor.«
»Weiter . Wa s is t di e Ursach e diese r Krankheiten? « Joisnea u faltete di e Händ e z u eine r Schale . »Da s Tal . Di e Abgeschiedenhei t de s Tals. Da s sin d alle s erblic h bedingt e Leiden , ha t mi r de r Arz t erklärt, gewiss e Inzuchterscheinungen , di e sic h vo n Generatio n zu Generatio n herauskristallisiere n un d weitergegebe n werden . In isolierte n Gegende n sin d Ehe n unte r Blutsverwandte n offenbar häufig . Ein e Ar t Ansteckung , allerding s au f genetische m Weg.« Joisnea u ri ß ein e Seit e au s seine m Notizbuch . »Hier , da s is t die Adress e de r Anstalt . De r Leiter , Dokto r Champelaz , ha t das Phänome n seh r gründlic h untersucht . Ic h dachte , da ß …«
Niéman s deutet e mi t de m Zeigefinge r au f Joisneau . »D u fährst hin.«
Da s Gesich t de s junge n Poliziste n leuchtet e auf . »Si e vertrauen mir?«
»Ic h vertrau e dir . Mach ,
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