Die Pyramide: Im Zeichen des Orion (German Edition)
sowieso ich. Außerdem gibt es noch anderes Personal für die Detailarbeit. Du schwebst als guter Engel über allem und wachst darüber, dass alles gut läuft, denn ich habe noch einen kleinen Nebenjob in Frankfurt und Wiesbaden. Du wirst es schaffen. Und ins kalte Wasser werde ich Dich, wie Du weißt, notfalls stoßen.“
Wir lachten gemeinsam. Für ihn schien die Sache ganz einfach und natürlich. Langsam fragte ich mich:
„Warum eigentlich nicht?“
„Komm, lass uns jetzt von was Anderem reden. Ich fahre heute Abend ab. Du überlegt es Dir, und dann telefonieren wir.“
Wir plauderten über Belanglosigkeiten, aber ich war mit meinen Gedanken bei seinem Vorschlag. Der Abschied fiel mir ungeheuer schwer. Wenn ich nicht zu ihm zöge, würde unsere Beziehung im Sande verlaufen, und ich glaubte, das nicht verkraften zu können.
Kapitel VII
Ich sah mich in meiner Wohnung um, und mir war, als habe ich einen langen Film gesehen. Automatisch guckte ich zum Fernseher hinüber. War Rosamunde Pilcher im Programm gewesen? Aber das Gerät war abgestellt. Ich ging in die Küche. Der Spülkram, der sich dort türmte, gab mir die Gewissheit, dass jemand zu Besuch da gewesen war.
Vor zwei Tagen noch war mein Leben ein Einerlei aus Arbeit und kurzen Ruhepausen gewesen, in denen mich immer wieder heftige Depressionen befallen hatten. Vor 48 Stunden hatte ich nicht gewusst, wie ich mein Leben verändern und neue Kraft tanken sollte. Ich wusste nur, dass etwas geschehen musste. Nun war es geschehen, und ich war ratlos.
Ich goss mir ein großes Glas Orangensaft ein und setzte mich mit einer Decke auf meinen Balkon. Es war kühl, aber ich konnte bestimmt nicht schlafen und würde diese Nacht hier draußen mit Nachdenken verbringen.
Mich beunruhigte diese Geschichte mit der Anpassung an eine andere Persön lichkeit. Konnte man durch Konzentration so viel Macht über einen fremden Menschen erhalten, dass man ganz oder fast ganz mit ihm identisch wurde? Wenn dem so war, hatte Jochen meine Persönlichkeit angenommen? Hatte er vier Wochen lang Informationen über mich zusammen getragen, um dann in mich „hineinzuschlüpfen“? Wir hatten mehrmals die gleichen Dinge gedacht und ausgesprochen, und ich hatte das völlig euphorisch als „Gleichklang der Seelen“ gedeutet. Wenn das alles nur Technik war, die er hier anwandte?! Je mehr meine Gedanken in dieser Richtung weitersponnen, desto nervöser wurde ich. Aber wozu sollte er das tun? Ich war keine Kundin, kein Geschäftspartner, an mir war nichts zu verdienen. Er wollte mich ganz einfach bei sich haben. Seine Geschäfte würden es ihm nicht erlauben, häufig nach Hannover zu kommen, und ich konnte auch nicht dauernd nach Frankfurt fahren. Er hatte das ganz klar erkannt und gleich einen praktischen Plan gemacht. Was war so schlimm daran, wenn er wirklich alle Register zog, um mich für sich zu gewinnen? Das war doch nur ein Beweis dafür, wie sehr er mich liebte.
Ich dachte darüber nach, wie er mir seine „Geschichte“ erzählt hatte. So vollkommen offen und ehrlich, ohne Beschönigung, ohne Drumherumreden. Wie er mir gleich geschildert hatte, in welcher Weise er Menschen in seinem Sinne manipulierte. Aber war das wirklich Manipulation, wenn man versuchte, bei jemandem seine Wünsche durchzusetzen? Das tat doch jeder mehr oder weniger. Das kleine Kind bettelt und schmeichelt, Frauen entwickeln Charme und Verführungskünste, um bei Männern ans Ziel zu gelangen. Was also störte mich bei dem Gedanken, manipuliert zu werden? Es war die Technik, das rein Berechnende, die kalkulierte Spontaneität. Wenn er mich aber liebte, war es dann Technik, war es berechnend? Wahrscheinlich wusste er das selbst nicht mehr. Und dann war da noch sein Frauenhass. Woher kam der? Doch nicht daher, dass die Frauen bereitwillig mit ihm schliefen. Er hatte als Kind Verlustängste gehabt. Zuerst wurden sie alle vom Vater verlassen. Dann hatte seine Mutter, die seine Hauptbezugsperson war, ihn einfach weggegeben. Sie hatte einen neuen Sohn, den sie hätscheln konnte. Seine Schwester, die er über alles liebte, war anfangs häufig mit der Mutter nach Wiesbaden gekommen, schon, um die Oma zu besuchen. Obwohl die Großmutter ihn allen anderen Enkeln vorzog, hatte er doch das Gefühl, ausgestoßen zu sein. Die führten in Frankfurt alle zusammen ein Familienleben, und ihn hatte man ausgekotzt, einfach
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