Die Pyramide: Im Zeichen des Orion (German Edition)
wäre, eine Frau zu haben, die ihn begrüßen und ein leckeres Abendbrot servieren würde. Nicht, dass er in dem Delikatessenladen tagsüber Hunger litte, aber er sehnte sich nach einer liebevoll zubereiteten Hausmannskost, und wenn es nur Schnittchen mit Bier gewesen wären. Inzwischen hatte er festgestellt, dass er sich mit Marianne, „die Petze“ wie er sie nannte, sehr gut verstand. Das hieß, er redete und sie hörte still zu. Er merkte, dass sie ihn bewunderte, und es erfüllte ihn mit großer Genugtuung.
Eines abends holte er sie ab und fuhr mit ihr nach Wiesbaden zu seinem Haus. Nun fiel sie völlig aus allen Wolken. Die Villa, das Auto, der Wohlstand schienen ihren Widerstand endgültig gebrochen zu haben. Sie blieb über Nacht und Jochen beschloss sie zu heiraten. Er stellte Marianne seinem väterlichen Freund Krautermann vor und fragte ihn hinterher, was er von einer Hochzeit hielte. Der war jedoch sehr unsicher. Er versuchte, es ihm auszureden. Sie seien beide noch sehr jung, und sie sollten nichts überstürzen. Aber Jochen hatte sich entschieden. Er fragte Marianne, und sie sagte „ja“. Als sie ihm dann noch gestand, dass sie ihn seit der Schulzeit liebe, dass sie unter seiner Missachtung gelitten habe und dass sie ihn verpetzte, damit er aus ihrem Leben verschwinde, weil sie die Hoffnungslosigkeit ihrer Liebe nicht mehr ertrug, war er davon überzeugt, die einzig Richtige gefunden zu haben.
Es wurde eine großartige Hochzeit, und es begann die glücklichste Zeit seines Lebens, wie er damals glaubte. Er verdiente gut, sie wohnten in Großmutters Villa, und nach zwei Jahren wurde ein gesunder Sohn geboren. Jochen wurde bei Wilhelm Krautermann gleichberechtigter Juniorpartner. Zwei Jahre später kam noch ein Sohn und nach weiteren drei Jahren eine Tochter, aber da war die Ehe schon lange nicht mehr in Ordnung.
In Krautermanns Delikatessenladen kamen viele Frauen hochbezahlter Männer aus Wirtschaft und Politik. Sie hatten den neuen Lehrling von Anfang an ins Herz geschlossen. Er wirkte bescheiden, höflich, beflissen und war vor allen Dingen ein ausgesprochen hübscher Junge. Jochen beobachtete, wie sich diese Frauen benahmen. Die wirklich reichen waren meistens eher unauffällig, schlicht gekleidet und freundlich zurückhaltend. Aber es gab die, die er heimlich „Bonzenweiber“ nannte. Irgendwelche ungebildeten oder einfachen Frauen, deren Männer einer bestimmten Partei angehörten und durch einen merkwürdigen Wählerwillen Abgeordnete oder gar Minister wurden. Die Ehefrauen wurden Gattinnen und spielten die gnädige Frau, strunzten sich die Hucke voll und mäkelten im Laden herum. „Nein, diese Käseauswahl in Paris!!“ „Aber den Camenbert darf man doch nicht gekühlt aufbewahren. Das würde kein Franzose machen.“
Jochen hatte im Laufe der Zeit gelernt, welche Weine man den Kunden zu welchen Speisen empfehlen sollte. Es gab äußerst nette Damen, die unsicher waren und Krautermann um Rat fragten. Jochens Lieblingskundin war eine rundlich appetittliche Blondine, auffällig und teuer gekleidet, mit Schmuck überladen wie ein Weihnachtsbaum. Aber sie nahm sich selbst auf die Schippe. Sie wusste um ihre Unzulänglichkeiten und amüsierte sich darüber. Die leibhaftige „Madame sans Gêne“. Wenn sie kam, war Stimmung im Laden. Sie erzählte den neuesten Gesellschaftsklatsch, kollerte vor Lachen über die „high snobiety“, die eine schreckliche Angst hatte, auch nur in die Nähe eines Skandals zu kommen und sich äußerst etepetete gab. „Bei mir ist das anders, wenn es um mich keinen Skandal mehr gibt, bin ich gesellschaftlich erledigt,“ pflegte sie zu sagen.
In Wirklichkeit, so vermutete Jochen, war sie hochintelligent, versteckte das aber hinter dieser Maskerade.
„Krautermann,“ sagte sie eines Tages kumpelhaft zu seinem Chef, „ich mache heute Doradenfilets. Gib mir Deinen besten Rotwein.“
Krautermann blieb höflich distanziert.
„Gnädige Frau, meine Frau hat neulich so einen köstlichen Fisch zubereitet. Wir haben einfach einmal ausprobiert, eine Flasche Chablis Grand Cru dazu zu trinken. Das war ganz ausgezeichnet.“
Sie blickte ihn misstrauisch an, ob er sie wohl veräppelte? Dann lachte sie, kniff ihn in die Wange und sagte:
„Krautermann, Du bist ein Schlingel. Schick mir also 12 Flaschen von dem Scheißzeug. Ich muss meinen Mann davon überzeugen, dass er eine kultivierte Frau hat.“
„Gnädige Frau essen doch gern Hummer?“
„Und
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