Die Pyramide: Im Zeichen des Orion (German Edition)
irgendwo hingespuckt. Als die Schwester älter wurde, hatte sie ihren eigenen Freundeskreis, feierte Parties, hatte ihre ersten Liebeserlebnisse und nicht mehr so viel Zeit ihn zu sehen. An manchen Wochenenden und in den Ferien war er in Frankfurt. Aber er hatte immer das Gefühl, dass man ihn hier eigentlich nicht haben wollte. Inzwischen war er dem Familienleben auch entwachsen, und sie wurden immer mehr zu Fremde für ihn. Und dann war da noch seine Frau, die Petze Marianne. Auch sie hatte ihn verraten. Aber das konnte er noch am ehesten nachvollziehen. Sie hatte es aus Liebe getan. Als die Großmutter starb, nahm er ihr das übel. Wie konnte sie ihn verlassen? Ob sein Frauenhass wohl pathologisch war? Brauchte er professionelle Hilfe oder konnte eine Frau, wenn es die richtige war, ihn durch ihre Liebe heilen? Ich hatte da eine äußerst romantisch Vorstellung.
„Welche Wahl hast Du denn?“ fragte ich mich.
“ Du machst weiter wie bisher. Wir sehen uns noch ein paar Mal, und dann ist es aus.“
Auf der anderen Seite würde mein Leben sich verändern, so, wie ich es mir gewünscht hatte. Aber gleich alle Brücken abbrechen? Was würde werden, wenn es schief ginge? Dann war ich meine Stelle los, die Wohnung, in der ich mich wohlfühlte war weg, und die Möbel verkauft. Ich hing an allem und sollte das aufgeben für eine mehr als ungewisse Zukunft! Dann erschrak ich bei dem Gedanken, dass Jochen mich ganz bewusst in diesen Abgrund gestürzt hatte, weil er wusste, dass in meinem Herzen eine große Sehnsucht nach Abenteuern schwelte. Und auch, dass ich einem etwas größeren Luxus in meinem Leben gegenüber nicht abgeneigt war. Leben auf einer Burg! Bedeutende, vielleicht sogar interessante Menschen kennen lernen.
„Zum Teufel,“ dachte ich ärgerlich.
Er hatte mich in Versuchung geführt. Das Gift, das er mir eingeflößt hatte, begann zu wirken. Andererseits, was konnte mir passieren? Er konnte mir weh tun, es würde schmerzen. Aber wäre das nicht der gleiche Schmerz, den ich empfinden würde, wenn es jetzt zu Ende ginge? Das Hin und Her machte mich fertig. Halb hatte ich mich schon entschieden, das Risiko einzugehen.
Schon waren meine Gedanken dabei, den organisatorischen Ablauf meines Umzugs zu vollziehen. Ich hatte eine dreimonatige Kündigungsfrist, Jochen wollte mich aber so schnell wie möglich. Ich könnte doch einmal versuchen, mich für ein halbes Jahr beurlauben zu lassen. Ich hatte sowieso noch ein Urlaubs- und Überstundenguthaben von fast zwei Monaten. Bis dahin müsste ich wissen, ob aus Jochen und mir etwas würde. Ich könnte meine Wohnung mit den Möbeln untervermieten und hätte dann, falls das Abenteuer schief ginge, nach wie vor ein Zuhause und meine alte Stelle.
Das Telefon klingelte. Wer war das denn? Es war weit nach Mitternacht. „Das Krankenhaus“, dachte ich. Aber es war Jochen.
„Ich bin heil zu Hause angekommen, und jetzt kann ich nicht schlafen.“
Wem sagte er das!
„Weißt Du, was ich mir überlegt habe?“ Er machte eine lange Pause, und ich sagte :
“ Du hast Dir überlegt, dass Du Dich in Dein Auto setzt und sofort wieder herkommst!“
Er lachte,
„Ja, das auch. Geht aber leider nicht. – Also ich denke mir, dass Du große Probleme mit Deiner Entscheidung hast. Wie wäre es denn, wenn Du Dich für ein paar Monate beurlauben ließest. Deine Wohnung könntest Du so lange jemandem vermieten. Das gibt Dir etwas mehr Zeit, Dich endgültig zu entscheiden.“
Ich begann zu zittern. Der Gedanke an sich lag völlig auf der Hand. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass Jochen völlig von mir Besitz ergriff. Es wurde mir unheimlich. Fast hätte ich ihm gesagt, dass ich mir diese Lösung schon selbst überlegt hatte. Aber dann begehrte etwas in mir auf gegen diese Vereinnahmung und ich sagte:
„Ach weißt Du, wenn schon, denn schon. Ich glaube nicht, dass ich hierher zurück will, wenn ich als Hotelmanagerin scheitern sollte.“
Das Schweigen am andern Leitungsende bestätigte mir, dass ich ihn getroffen hatte. Jetzt bekam die ganze Geschichte einen zusätzlichen Kick. Jochen wollte meine Persönlichkeit mit Haut und Haaren, aber ich wollte sie nicht preisgeben. Ich würde darauf achten müssen, mich ihm immer wieder zu entziehen. Das musste ihn reizen, denn dieses Spiel wollte er gewinnen. Es war ein grandioses Schachspiel: Er bedrohte die Dame, ich den König.
„Na, ja,“ sagte er unsicher, „vielleicht hast Du recht. Aber bevor Du „nein“
Weitere Kostenlose Bücher