Die Qualen der Sophora
unzählige
Menschen getötet... Mit ihren eigenen Waffen! Warum hatte Tiponi das dermaßen betont? Es war kein Verbrechen, sein Heim zu
verteidigen, auch wenn die Gegner scheinbar nicht übermächtig waren. Custers
Bösartigkeit kam leicht an die eines räudigen Ghouls heran.
Im Koreakrieg hatte Ron als Scharfschütze gedient und
auch ohne seine übermenschlichen Kräfte unzählige Leben genommen. Das gehörte
praktisch zur Ausbildung eines Kriegers, diese Erfahrungen zu sammeln, um sich
selbst in dieser Situation zu erleben, wenn man sich auf seine grundlegenden
Fähigkeiten zu besinnen hatte. Er hatte in sehr jungen Jahren gelernt, dass
auch das scheinbar schwache Geschlecht (womit er die normalen Menschen meinte)
mit Nichten so wehrlos war, wie viele Immaculate vermutete. Ihnen fehlte
glücklicherweise das akkurate Wissen, um ihnen wirklich gefährlich werden zu
können und so sollte es bleiben.
Tiponi schob trotzig das Kinn vor und sog das Fleisch
ihrer Wangen zwischen Ober-und Unterkiefer, um darauf zu beißen. Der Schmerz
hinderte sie daran, ein törichtes Risiko einzugehen und dem Anführer der
Krieger ins Gesicht zu schlagen. Binnen Sekunden und weniger Worte hatte er den
Rest zerstört, den sie noch ausmachte. Sie war ein Nichts. Ein Schatten, wie er
ihr indirekt klar machte. Unnütz und übrig. Ihre Pflichten hatten sich
erledigt. Es gab für sie nichts mehr zu tun. Sie konnte gehen.
Nur das letzte bisschen verbliebener Stolz und Rowtags anklagendes Fiepen
verbat ihr, sich ein weiteres Mal zu vergessen und hier und heute ein Ende zu
setzen. Eigentlich hatte sie nicht aufgeben wollen. Niemals, aber Theron würde
weder zuhören noch verstehen.
Natürlich wusste sie, dass sie nicht die Einzige war,
die einen Verlust erlitten hatte. Sie war nicht dumm. Tiponi hatte damals ganz
genau gewusst, wie lange ihr Glück halten würde und wie schnell es zwischen
ihren Fingern verrann. Aber es wären ihre Hände gewesen, die dieses Glück,
solange es eben ging, festhielten. Niemand hätte es ihr auf so grausame Art und
Weise nicht machen sollen. Doch auch das würde er nicht begreifen. Wenn er
niemals einen wirklich treffenden Schmerz erlebt und stets nur anderen dabei zu
gesehen hatte, wie sie ihr Päckchen trugen, konnte sie sich erklären, solange
sie wollte.
Eins musste sie ihm allerdings hoch anrechnen. Er war
ein guter Redner.
Ein paar letzte, ungeweinte Tränen schimmerten in
ihren plötzlich stumpf dreinblickenden, nicht mehr glühenden schwarzen Augen,
während sie ihm einen letzten Blick zuwarf, der bar jeden Gefühls war. Er
scherte sich weder um ihre Angst, noch um ihren Zorn, noch um die Traurigkeit
in ihr, die nicht allein von der Erinnerung herrührte.
„Ja, Damon, bleib liegen. Wegen mir sollte keiner
weiteren Ärger bekommen.“ Sie schnalzte leise mit der Zunge, ohne den Blick von
Theron zu lassen. Rowtag wandte sich ab und öffnete ein weiteres Mal mit ihrer
Fertigkeit die Tür zu Damons Zimmer.
Ein kurzes Flirren der Luft, in dem sich Tiponi so schnell aufzulösen schien,
dass man es kaum sah und dann wurde die Tür von außen wieder geschlossen. Die
Tri’Ora war fort.
Damon seufzte leise und rieb sich mit beiden Händen
über die Augen. Sein Boss hatte ihm einen brennenden Vortrag darüber gehalten,
wie man sich Frauen gegenüber verhielt. Er hatte ihm Prügel angedroht, wenn er
sich Nicolasa gegenüber nicht besserte und Zurückhaltung an den Tag legte. Von
Zurückhaltung hatte Theron selbst aber anscheinend noch nichts gehört.
„Ich denke, sie ist einsam“, sagte er leise, obwohl er
sich kaum in der Position befand, die eben erlebte Szene zu kommentieren. Der
Blick, der ihm von Ron daraufhin zugeworfen wurde, sprach Bände. Es war seinem
Anführer einerlei. Die Tri’Ora hatte es selbst so gewollt.
„Gib ihr eine Chance, Theron. Denkst du nicht, man
kann sich nach einer Weile und damit meine ich, nach einer unsterblich langen
Weile, überlegen, etwas anderes zu machen? Du weißt, dass der Orden ausstirbt.
Die Tri’Ora werden kaum noch gebraucht. Wir haben das Plasma und sollte doch
mal einer von uns über den Jordan gehen...Scheiße passiert. Tränen von schönen
Frauen machen uns kaum wieder lebendig. Ich meine, nicht das irgendwer uns über
den Jordan schicken könnte. – Versteh das nicht falsch, Ron!“
Er duckte sich etwas in den Kissen zusammen, als er
die imaginären Blitze aus Rons Augen schießen sah, gab aber nicht klein bei.
Wenn sein Boss versuchte, ihm den
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