Die Qualen der Sophora
starrten... wahllos und ohne jede Skrupel
niedergemetzelt... Frauen, Kinder, Alte... Es riecht beißend nach immer
noch rauchendem Feuer, verbranntem Fleisch und aufgewühlter, matschiger Erde
und dem modrigen Wasser des Flusses, dessen Strom rotgefärbt zu sein scheint... Es ist kalt... sehr kalt... alle Felle, die den
Bewohnern der bemalten Zelte in der Nacht Schutz vor dem langen Winter geboten
haben, liegen zu einem stinkenden Klumpen verbrannt neben dem zerbrochenen
Medizinrad... Eine Frau... dunkelhaarig und wunderschön... sitzt auf die Knie gesunken
mit zerrissenen Kleidern und leer geweinten Augen inmitten dieser grausigen
Szenerie... sie scheint ins Leere zu blicken... sie ist verletzt... i n den Armen hält sie die
Leiche eines etwa achtjährigen halbnackten Kindes... von den Pferden der
Soldaten zu Tode getrampelt...
„Ich kenne dich!“, sagte Damon leise, als die
Erinnerung langsam verblasste. Tiponi entzog ihm hastig seine Hand und trat
einen Schritt vom Bett zurück.
„Natürlich, ich habe dir und deinem Bruder in Green
Point geholfen“ , antwortete sie schnell. Etwas zu voreilig, so dass Damon sich
nur noch mehr bestätigt sah.
„Nein, das mein ich nicht! Ich spreche von Washita.“
„Ich muss gehen!“ Tiponi, der nicht viel daran gelegen
war, die Vergangenheit aufleben zu lassen und Erinnerungen mit dem Krieger
auszutauschen. Green Point war tatsächlich nicht ihre erste Begegnung gewesen.
„Wir waren auf der Jagd.“, begann Damon seine Erklärung
für Theron, der nicht wissen konnte, dass das Interesse an seinem Krieger
durchaus tiefer ging als bloße Verpflichtung durch ihre Stellung im Orden.
„Ich war mit Nathan unterwegs. Jagannatha. Du
erinnerst dich doch, oder nicht?“
Tiponi verharrte im Schritt und schluckte schwer. Sie
versuchte mit allen Mitteln zu verdrängen, was er in ihr wachrief.
„Kann sein!“
„Doch, du erinnerst dich!“
Damons Miene verriet Anstrengung und gleichzeitig
Mitgefühl. Er hatte in seinen Jahren als Warrior Unmengen erlebt. Nathan würde
die Geschichte besser zusammenkriegen.
„Ihr Mann war bei den aufständischen Indianern, die
sich der Willkür der US-Army widersetzten. Er hätte Krieger sein können, war
aber kein Immaculate, nur sehr tapfer. Sie sollte mit ihrem Dorf in sichere
Gefilde ziehen, wurde aber von Custer und seinen Männern eiskalt überfallen.
Sie verlor nicht nur ihren Mann, sondern auch ihren Sohn. Nathan und ich nahmen
sie mit zu ihm nach Hause. Sie hätte sonst einen Weg gefunden, sich selbst
etwas anzutun. Sie war eine von uns. Sie verriet uns nie, woher sie kam und sie
verriet uns nie, wohin sie ging. Als wir eines Morgens in die Wohnstube kamen,
in der Nathan ihr ein Lager bereitet hatte, war sie fort und mit ihr sein
bestes Pferd. Elf Jahre später wurde Awendela geboren. Da hat zumindest Nathan
sie wiedergesehen. Sie war zur Anführerin der Tri’Ora aufgestiegen. Sie wollte
eine Schuld begleichen und gleichzeitig gegen das kämpfen, was ihr so viel Leid
zugefügt hatte.“
„Custer war kein Aryaner oder Ghoul! Er war ein
Mensch!“ Tiponi wirbelte auf dem Absatz herum und funkelte Damon mit
rotleuchtenden Augen an. Ihre Wangen waren feucht von heißen Tränen.
„Ich habe niemals einen Menschen getötet! Niemals! Ich
könnte niemals jemandem ein Leid zufügen, der schwächer ist als ich. Und wie
Ihr seht, ist das keine große Kunst!“
Tiponi rang um Atem. Sie konnte die Schluchzer, die
zwischen den Worten ihrer Kehle entkamen, kaum unterdrücken. Alte Wunden waren
wieder aufgerissen worden und ihr Herz brannte schmerzlich vor Kummer, der für
immer darin wohnen würde und sich wie ätzende Säure durch ihr Innerstes fraß.
„Meine Art, aufzutreten, ist reine Fassade. Es ist
sehr leicht, mich zu verletzen und mich zum Schweigen zu bringen. Ich wollte
niemals so sein wie Ihr oder einen besonderen Platz einnehmen. Deshalb wählte
ich mein Leben unter normalen Menschen, hatte eine Familie. Einen Mann, der
mich liebte, obwohl er wusste, dass ich anders war und einen Sohn, der mich mit
unglaublichem Stolz erfüllte. All das wurde mir genommen und nur der Zuwendung
Eurer Kriegern verdanke ich, dass ich heute hier bin.“
Sie ging wieder einen Schritt auf das Bett zu. Genauer
gesagt auf Theron, dem sie sich sonst unter anderen Umständen niemals in den
Weg gestellt hätte. Rowtag knurrte drohend in seine Richtung und so fühlte sie
sich wenigstens ein klein wenig unterstützt, obwohl die Hündin gegen ihn nicht
den
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