Die Quelle
überlegen, daß es unsinnig sei, sie mit Ihm vergleichen zu wollen. »Selbstverständlich gibt es andere Götter, und Baal ist einer, über den man sich nicht lustigmachen sollte«, sagte er wohlwollend zu seiner Sklavin. »Meine Väter haben stets die Götter der Länder, durch die sie kamen, geachtet. El-Schaddai verlangt das von uns. Aber welcher Gott der höhere ist und über alle anderen herrscht, darüber kann es keinen Zweifel geben.«
Und nun war der Nachmittag gekommen, an dem Zadok auf die Rückkehr seiner Söhne von der Erkundung wartete. Heute erschien er nicht zu geruhsamem Gespräch mit seinen Kindern. Lea und das Sklavenmädchen gingen deshalb ihren Arbeiten nach; von ihrem Zelt aus konnte die Sklavin den alten Mann abseits des Lagers stehen sehen. Nachdenklich, prüfend fast wie ein Richter, blickte er auf die Zelte. Jedenfalls sind wir bereit, sagte Zadok sich. Unser Vieh ist noch nie so zahlreich gewesen, und unsere Esel sind fett. Wir haben fast zweihundert Krieger, und unsere Zelte sind ausgebessert. Gleich einem mächtigen gespannten Bogen sind wir bereit, unsere Pfeile kraftvoll nach Westen zu schießen, und wenn es El-Schaddais Wille ist, daß wir ziehen, so hat Er uns aufs beste dazu gerüstet. Zufrieden mit dem, was er an Vieh, Zelten und Waffen gesehen hatte, betrachtete der Alte nun seine Sippe. Sie war treu dem Einen, dem einenden Gott ergeben, zuchtvoll, gesund. Sie hielt so fest zusammen wie damals nur je eine Nomadensippe. Zwar konnte niemand lesen oder schreiben oder Bronze gießen. Aber dafür war seine Sippe so einheitlich wie keine andere. Denn es galt Zadoks strenger Befehl, daß kein Fremder zur Sippe gehören durfte, der nicht vorher eine Unterweisung mitgemacht hatte. Die aber war so streng, daß sie die meisten abstieß. So durfte zwar ein Kanaaniter jahrelang bei den Hebräern leben, ohne daß diese versuchten, ihm seinen Glauben an Baal zu nehmen. Sobald er jedoch um die Erlaubnis nachsuchte, eine Hebräerin zu heiraten - sie waren schön und gefielen den Männern -, mußte er vor Zadok hintreten und seinen früheren Göttern abschwören, mußte sich beschneiden lassen, falls der Brauch nicht bereits vollzogen war, mußte sich von seinen früheren Genossen trennen und dann elf Tage bei Zadok verbringen und versuchen, in das Geheimnis El-Schaddais einzudringen. Danach noch einem anderen Gott anzuhängen, bedeutete den Tod. Wenige Männer waren gewillt, sich einer solchen Behandlung zu unterziehen, lediglich um ein Hebräermädchen heiraten zu können, mochte es noch so schön sein. Daher hatte Zadok, was die Männer anlangte, seine Sippe unvermischt erhalten können. Die Hebräer bestanden auf der Beschneidung der Männer aus zwei Gründen. Durch diesen Brauch ging der Mann nicht nur einen Bund mit El-Schaddai ein, eine unverbrüchliche Gefolgspflicht, deren Zeichen ihm für immer anhaftete; die Beschneidung hatte überdies den großen Wert, eindeutig zu beweisen, daß der so Gezeichnete ein Hebräer war. Im Krieg gegen die Unbeschnittenen konnte ein Feigling vielleicht einmal davonlaufen und später leugnen, Hebräer zu sein. Die aber, die ihn gefangennahmen, brauchten ihn nur zu untersuchen, um ihn der Lüge zu überführen. Der Beschnittene tat daher besser daran, bis zum Tode zu kämpfen - er konnte seine Herkunft ja doch nicht verbergen. Infolgedessen waren die Hebräer tapfere Krieger, bisweilen unterlegen, selten aber mutlos. Bedingungsloses Vertrauen auf den Einen Gott und bedingungslos entschlossenes Zusammenhalten - das waren die Gründe für den Wüstenbrauch der Beschneidung. Bei den Frauen lagen die Dinge anders. Zadoks Männer machten in ihren ständigen Kriegen mit seßhaften Stämmen oft Gefangene, und unter denen waren auch durchaus verführerische Mädchen und Frauen. Nicht einmal Zadok konnte seine Söhne davon abhalten, solchen fremden Weibern beizuliegen, und er war klug genug, sich seiner Ohnmacht in dieser Angelegenheit bewußt zu sein. Aber er bestand auf Vorsichtsmaßnahmen: Jede Gefangene wurde in das denkbar geringste Gewand gekleidet, wurde kahlgeschoren und erhielt nichts zum Reinigen oder Schneiden ihrer Fingernägel, auch kein Öl für ihr Gesicht und nur wenig Wasser zum Waschen. Einen Monat lang mußte sie eine solche Behandlung erdulden. Dann erst wurde sie vorgeführt und neben den Mann gestellt, der sie gefangengenommen hatte, während Zadok fragte: »Willst du das Weib noch?« Falls der Mann ja sagte, wurde geprüft, ob sie bereit sei,
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