Die Quelle
Jahren gelebt. Die Kundigen unter den Hebräern hielten es für gewiß, daß El-Schaddai ihnen früher oder später befehlen werde weiterzuwandern; was sie jedoch nicht wußten war, daß der Gott dreimal eben dies dem Zadok befohlen, der Patriarch aber Angst gehabt und El-Schaddai hingehalten hatte.
Schließlich ungeduldig geworden, hatte El-Schaddai Seinen letzten Befehl nicht dem alten Zadok erteilt, sondern dem rothaarigen Epher. Deswegen war Epher vor einigen Wochen zu Zadok gekommen und hatte gesagt: »Vater, wir sollten in die guten Länder des Westens ziehen.«
»El-Schaddai wird uns Weisung geben, wenn wir ziehen sollen.«
»Aber Er hat ja. Vergangene Nacht. Er kam zu mir und sprach: >Geh nach Westen und erkunde das Lande.«
Zadok hatte Epher an den Schultern gepackt und gefragt: »Hat El-Schaddai Selbst mit dir gesprochen?« Und Epher, ein hitziger junger Mann von zweiundzwanzig Jahren, war dabei geblieben, der Gott sei zu ihm gekommen. »Welcher Art Stimme bediente Er sich?« hatte Zadok wissen wollen, aber sein Sohn war nicht imstande gewesen, es ihm zu sagen. Und in der Nacht hatten Epher und Ibscha sich aufgemacht, den Westen zu erkunden. Zadok aber war nachdenklich geworden. Hatte Epher die Wahrheit gesprochen? Und warum wohl sollte El-Schaddai eine Botschaft von solcher Bedeutung einem Jungen ausgerichtet haben? Das war doch höchst unglaubhaft. Aber nun hatte der Gott Ephers Bericht bestätigt, indem Er sagte, die jungen Leute würden morgen mit Weisungen für den Zug nach Westen zurückkehren. Und wenn Zadok die Sache recht überlegte, mußte er sich eingestehen, daß ein unmittelbares Gespräch zwischen El-Schaddai und Epher nicht gar so ungewöhnlich sei. Denn Zadok selbst war erst sieben Jahre alt gewesen, als der geheimnisvolle Gott zum erstenmal zu ihm gesprochen hatte: »Zwischen den Felsblöcken, auf denen dein Vater Zebul sitzt, liegt eine Schlange versteckt.« Er hatte wie versteinert dagestanden, denn die Stimme war von nirgendher gekommen, und er hatte nicht glauben können, was sie sagte: »Geh«, waren die nächsten Worte gewesen, »und warne deinen Vater, damit er nicht von der Schlange gebissen wird.« Und er war zu den Felsblöcken gerannt und hatte seinen Vater bewogen fortzugehen - gerade als die Schlange aus einer Felsspalte hervorkroch. Seit diesem Tag hatte er als ein Besonderer gegolten. Sein Name, Zadok, bedeutete Der Gerechte, und als ein gerechter Mittler hatte er seitdem gedient, durch den El-Schaddai mit Seinem auserwählten Volk sprach. Zahlreich waren sie nie gewesen, die Hebräer der Wüste. Als Lot und Esau gen Süden wanderten, hatte jeder weniger als tausend Menschen mitgenommen. Die Sippe Zadoks, die jetzt auf die Entscheidung zum Zug nach Westen wartete, bestand nur aus siebenhundert Menschen, denn die großen Stämme der Hebräer hatten sich noch nicht gebildet. Eine Familie allerdings konnte Zadoks Nomadenschar nicht mehr genannt werden: Zadoks vier Weiber und dreißig Kinder, von denen mehrere bereits eigene Familien hatten, machten noch nicht einmal ein Viertel der Gesamtheit aus. Alle Angehörigen der Schar aber waren doch auf irgendeine Weise mit dem Alten verwandt. So bildeten sie mehr als eine Familie: eine Sippe - und als sich in den folgenden Jahrhunderten mehrere solcher Sippen vereinigten, entstanden die historischen Stämme des Volkes Israel. Zadoks Gruppe lebte in besserer Ordnung als ähnliche Nomadentrupps, und zwar dank der Rechtschaffenheit des Mannes, der sie anführte. In allen Dingen verließ er sich auf El-Schaddai. Auf Krieg war er nicht allzu sehr aus, denn er liebte den Frieden und suchte ihn, wenn immer möglich, zu erhalten - zum Mißfallen seiner Söhne, die gern kämpften. Beim Handel war er ehrlich, und er übte großzügig Barmherzigkeit. Streitereien zwischen seinen Weibern duldete er nicht, und bei den Kindern sah er auf gutes Betragen. Er liebte die Tiere; von ihm stammte der Brauch, niemals ein Tier in Gegenwart seiner Eltern oder Geschwister zu schlachten, auch niemals ein Junges und seine Mutter am selben Tag zu töten, denn die Geschöpfe sollten außer dem Tod nicht zusätzlich Unrecht erleiden. Frauen seiner Sippe, die geboren hatten, durften fünf Monate lang keine Arbeit verrichten, lediglich kochen mußten sie. Aber Zadok war auch ein strenger Richter; nicht wenige Sippenangehörige hatte er zum Tode verurteilt, denn Verstöße gegen das göttliche Gesetz, wie Ehebruch, Auflehnung gegen die Eltern oder Lästerung
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