Die Quelle
Stadt soll zerstört werden. Kein Dach soll auf seinen Balken bleiben, kein Mann, der zu den Huren geht, soll leben.« So ergab sich der alte Mann, der den Frieden geliebt hatte, schließlich in den Willen El-Schaddais. Aber er konnte nicht wissen, daß seine Ergebung zu spät kam.
In seiner Entschlossenheit, Makor zu zerschmettern, wurde Zadok wieder zum jungen Krieger, und im Eifer seines sittlichen Zorns wurde er wieder zum schlichten Mann der Wüste, der die Verderbtheit der Stadt sieht. Zugleich jedoch mußte er einsehen, daß die Entscheidungen über die Kriegführung jetzt bei Epher lagen. Der führte trotz seiner Wunden den Vater und die Brüder zum Gipfel des Berges. Und diesmal gelang es ihnen, den Stein des Greuels umzustoßen, den die Hebräer für El-Schaddai errichtet hatten. Schon wollten sie die Stätte verlassen, da rief Epher: »Laßt uns auch Baal stürzen.« Der alte Mann versuchte seinen Söhnen Einhalt zu gebieten. Warnend hob er die Arme. »Nein! Wir kämpfen nur gegen die Greuel. Hier herrscht Baal, und El-Schaddai billigt es.« Aber Epher blieb hart. »Unser Krieg gilt auch Baal«, rief er, stieß seinen Vater zur Seite, sprang zur Steinsäule und winkte seine Brüder herbei. Auch Baals Stein fiel. Der Sturz der Steine war in der Tat ein Augenblick auch geistigen Umsturzes. Denn noch sollten mehr als hundertfünfzig Jahre vergehen, ehe El-Schaddai - in seiner späteren Offenbarung als Jahwe - den Hebräern am Sinai das Gebot auferlegte, von allen anderen Göttern abzulassen. Dieses »Du sollst keine anderen Götter haben neben Mir« nahm Epher vorweg: El-Schaddai sei nicht allein der höchste Gott der Kinder Zadok, sondern der höchste Gott auch für alle anderen Völker.
»Das war nicht El-Schaddais Wille«, donnerte der alte Mann. Was Epher da getan hatte, war Überheblichkeit, war Unrecht. Doch Epher kümmerte sich nicht darum, als habe er in einer Schau des Zukünftigen vorausgesehen, wie El-Schaddai einst wachsen werde. Und als der Sohn in dieser Nacht den anderen seinen endgültigen Plan zur Einnahme Makors vortrug, sah der Vater ein, daß er an diesem Plan keinen Anteil mehr hatte. Es ist der Wagemut eines jungen Mannes, sagte er sich, eines, der kühn genug ist, den Stein des Baal zu stürzen. Und er mußte sich eingestehen, daß die Hoheit der Führerschaft ihm entglitten war. Während die anderen sich über den bevorstehenden Kampf berieten, wanderte er allein zwischen den Ölbäumen umher und suchte ein Gespräch mit seinem Gott, dessen Weisung er brauchte. Es wird uns Menschen von heute schwer, den Sinn des Bibelwortes: Er redete mit seinem Gott zu ergründen. Sicherlich konnte man El-Schaddai nicht willentlich herbeirufen, wie die Hexen von Endor die Toten und ihre Orakel herbeibeschworen. Denn oft hatte Zadok den Rat El-Schaddais gebraucht, ihn aber nicht erhalten. Und ganz gewiß war Zadok nicht - wie seine Tochter angedeutet hatte, als sie sagte, er spreche mit sich selbst - ein Mann, der in geistiger Störung die Stimmen eines Dämons zu hören glaubte. Denn nie war er so eindeutig im Besitz seiner Geisteskräfte, als wenn er mit El-Schaddai sprach. Vielleicht erklärt sich das Zwiegespräch mit Gott so, daß die Hebräer in Zeiten der Entscheidung, besonders in solchen sittlicher Art, die keinen
Aufschub duldeten, an Stätten der Einsamkeit ein Lenkendes, Leitendes, Weisendes auf sich Zuströmen fühlten: Aus unerwarteter Richtung sprach eine Stimme, die Stimme gesammelter Vernunft. Beschwören konnte man sie nicht - El-Schaddai erschien nur, wenn Er dazu bereit war. Aber auf die Stimme war Verlaß, denn was der Gott sagte, war einsichtig. Und als der Alte Ihn jetzt bei den Bäumen suchte, erschien El-Schaddai nicht im brennenden Busch und im rotleuchtenden Felsen. Gleich einem Vater schritt Er neben Zadok einher und führte mit ihm das letzte große Gespräch, das Er dem alten Mann gewährte. »Die Greuel werden vernichtet werden«, versicherte El-Schaddai ihm. »Und die Mauern? Werden wir in sie eindringen?«
»Habe Ich dir nicht in der Wüste verheißen: >Die Mauern werden sich auf tun, euch zu empfangen«
»Nach Ephers Plan?«
»Habe Ich nicht gesagt: >Die Söhne sind klüger als die Väter?< Das gilt auch für Ephers Plan.«
»Dann hat mein halsstarriger Sohn recht daran getan, Baal zu stürzen?«
»Er hat voreilig gehandelt, denn die Zeit ist noch nicht gekommen, da Ich den Menschen gebiete, sie sollen keinen anderen Gott neben Mir haben.«
»Wirst Du meinem
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