Die Quelle
noch immer, mit den Hebräern, soweit ihre Forderungen ehrenhaft waren, zu einer Klärung zu kommen.
Deshalb schickte er Boten zu Zadok mit der Frage, was nun geschehen solle. Doch der Alte weigerte sich, die Kanaaniter überhaupt zu empfangen. Das aber konnte nur Krieg heißen.
Uriel beschloß nach Rückkehr seiner Boten, so schnell wie möglich den Brunnen zurückzuerobern. Er befahl den Hauptmann der Hethiter zu sich. Von einem Turm aus beobachtete er mit ihm die Hebräer. Mit Genugtuung sahen die beiden, daß die Hebräer dort unten vor dem Haupttor sich gegen alle Kriegskunst verhielten. »Die werden wir schlachten«, prahlte händereibend der Hethiter. »Greif sie an und töte so viele wie möglich«, befahl Uriel. »Ich will ein schnelles Ende des Krieges.«
Der Hethiter eilte zu den Ställen. Hier hielt Uriel seine neuesten und furchtbarsten Waffen bereit. Heimlich hatte man sie nachts vom Hafen Akka her in die Holzbauten am Brunnentor gebracht. Nur ganz wenige Bürger wußten davon, und Zadoks Hebräer hatten keine Ahnung, daß es solche Waffen überhaupt gab. Jetzt ließ der Hauptmann sie aus den Schuppen ziehen: Es waren - Streitwagen. Der Hauptmann ließ die zweirädrigen Wagen bespannen; dann stieg der Wagenlenker auf, der mit der Linken die Pferde zu zügeln hatte, während er mit der freien Rechten eine Kette schwang, an deren Ende eine große, mit Stacheln bewehrte Bronzekugel befestigt war. Ein Schlag mit dieser Waffe konnte einem Mann das Rückgrat brechen. Hinter dem Wagenlenker standen zwei Soldaten, an den Wagen festgebunden, so daß sie die Hände freihatten für Schwert und Streitkolben. Und an den Rädern der Wagen waren Sensenklingen so angebracht, daß sie sich mit den Rädern drehten und jeden niedermähen mußten, der sich dem Wagen näherte. Es waren Waffen des Schreckens und des erbarmungslosen Tötens. Der Statthalter ließ sie zum Haupttor fahren.
Hier hatten sich viele Hebräer versammelt. Die meisten standen oder liefen zwecklos vor den Mauern herum. Da ließ Uriel die Trompete blasen und Krieger zu Fuß durch die kleine Pforte wie zu einem gewöhnlichen Ausfall herausstürmen. Überrascht, daß die Kanaaniter es wagten, sich zu stellen, sammelten sich die Hebräer genau dort, wo Uriel es vermutet hatte. Das Gefecht begann. Aber nun befahl der Statthalter die Torflügel aufzuwerfen. Donnernd rasselten die Streitwagen hinter den galoppierenden Pferden die Rampe hinab mitten unter die Hebräer. Die kanaanitischen Krieger, vorbereitet auf das, was nun geschah, wichen behende aus und gaben den Weg frei für die Wagen des Schreckens, deren Lenker ihre Pferde auf die kopflos umherrennenden Hebräer hetzten. Ein wildes Gemetzel begann. Wo die Hebräer sich zum Kampf stellten, trampelten die Pferde sie nieder. Wer floh, den schlugen Reiter hinterrücks mit dem Streitkolben zu Boden. Und wer stehenblieb, wo er stand, wurde von den wirbelnden Sensen der Räder zerstückelt. Verzweifelt schrie Zadok beim Anblick des Blutbades: »El-Schaddai, Gott der Heerscharen! Was hast Du über uns gebracht?« Epher aber riß sich von den Frauen los, die seine Wunden verbanden. Rasend vor Zorn sprang er einem der Pferde auf den Nacken und schnitt ihm die Kehle durch, so daß mit dem zusammenbrechenden Pferd der Streitwagen umstürzte. So bewies Zadoks rothaariger Sohn, daß die Wagen des Schreckens nicht unbezwingbar waren und die Pferde nicht unsterblich; die Hebräer faßten neuen Mut, sammelten sich wieder, wichen den Wagen aus, trieben aber aus sicherer Entfernung die Hethiter mit Steinschleudern und mit Pfeilen zurück, deren Spitzen aus Feuerstein waren.
Was die Verluste anlangte, bedeutete der erste Tag des Krieges eine klare Niederlage der Hebräer. Sie hatten den Brunnen genommen, aber als Zadok seine Scharen vor dem Heiligtum zusammenrief, zählte er vierunddreißig Tote. Auf und ab schritt er zwischen den Gefallenen und rief ihre Namen: »Naaman, mein Sohn. Joktan, mein Sohn. Aaron, mein Sohn. Zattu, mein Sohn. Ibscha, mein Sohn.« Wann und wo gab es noch einen Heerführer, der bei Einbruch der Nacht über das Schlachtfeld ging und als Verlust eines einzigen Tages fünf leibliche Söhne und neunundzwanzig nahe Verwandte zählte! Als er zum letzten Toten trat - »Simon, Sohn des Naaman, des Sohnes meiner Lenden, der ich der Sohn des Zebul bin, ich, der ich euch aus der Wüste geführt habe« -, entbrannte zehrender Grimm in ihm. Hoch auf richtete er sich vor dem Heiligtum und schwor: »Die
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