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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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Sohn seine Anmaßung verzeihen?«
    »Er soll Mein Volk in den Kampf führen, und solche Männer bedürfen der Anmaßung.«
    »Und ich? Stets habe ich nach Frieden getrachtet, El-Schaddai. Was muß ich tun, wenn die Stadt sich ergeben hat?«
    »Zerstöre die Greuel.«
    »Und die Kanaaniter?«
    »Die Männer wirst du töten, jeden Mann aus der Stadt. Die Kinder wirst du als deine eigenen annehmen. Und die Frauen sollt ihr unter euch verteilen, jeder Mann nach dem Maß seiner Verluste.«
    Dieses schreckliche Urteil - nicht als Gleichnis gesprochen, das eine Ausdeutung nach eigener Wahl erlaubte, sondern ein schweres, hartes Gebot des Gottes selbst - entsetzte den Alten. Ihm wurde befohlen, das Gemetzel von Timri zu wiederholen. Aber das konnte er nicht. El-Schaddai selbst hatte das Urteil gefällt. Es zu vollstrecken - das war zu gräßlich, als daß Zadok es hätte tun können. »Alle Männer der Stadt kann ich nicht erschlagen.« Abermals hatte er sich dem Wort seines Gottes widersetzt, und er war bereit, die Folgen zu tragen. El-Schaddai hätte Sein Urteil selbst vollstrecken können. Er aber hatte noch immer den Hebräern gesagt, was Sein Wille sei, und immer mit guten Gründen. Deshalb sprach Er jetzt zu Zadok: »Glaubst du, Ich befehle dir aus Grausamkeit, die Kanaaniter zu erschlagen? Tue Ich es nicht vielmehr, weil ihr Hebräer ein törichtes und verstocktes Volk seid, geneigt, anderen Göttern und Gesetzen anheimzufallen? Ich gebiete es nicht, weil Ich die Kanaaniter hasse, sondern weil Ich euch liebe.«
    »Doch unter den Männern Kanaans müssen viele sein, die willens sind, Dich anzubeten. Darf ich sie verschonen, falls sie sich beschneiden lassen?« Von den Ölbäumen kam keine Antwort. Zadok hatte eine Frage gestellt, die selbst der allwissende El-Schaddai nur schwer zu beantworten wußte: die Frage nach der Errettung, und selbst ein Gott brauchte Zeit, sie zu erwägen. Was der Alte gesagt hatte, barg eine große Gefahr. Ganz gewiß würden manche Kanaaniter falsch schwören und der Beschneidung zustimmen, im Herzen aber entschlossen sein, die Anbetung der Astarte wiederaufzunehmen. Doch El-Schaddai war Seinen Hebräern kein Gott der Willkür und des Zwanges - nicht einmal Er konnte Zadok befehlen, eine Weisung blind zu befolgen, die ihm völlig widerstrebte oder seinem sittlichen Urteil entgegenstand. El-Schaddai verstand, warum der alte Mann die Kanaaniter falsch einschätzte (und dieser Irrtum sollte El-Schaddai noch in Zukunft viele Schwierigkeiten bereiten). Aber selbst Er vermochte offenbar dem Alten nicht begreiflich zu machen, daß er irrte. Darum gab vorläufig der Gott dem Menschen nach.
    »Falls du unter den Kanaanitern rechtschaffene Männer findest«, räumte Er ein, »sollen sie verschont werden.«
    »Welches Zeichen wirst Du mir geben, daß sie rechtschaffen sind?«
    »Im Augenblick des Sieges mußt du dich auf deine eigenen Zeichen verlassen.« Nur zögernd brachte der alte Mann seine nächste Sorge zur Sprache. Aber er mußte sie seinem Gott sagen. »El-Schaddai, heute habe ich fünf Söhne verloren. Ich bedarf der Hilfe verständiger Männer. Darf ich, wenn wir die Stadt erobern, das Leben Uriels, des Statthalters, der ein Mann der Weisheit ist, und das Leben meiner Tochter und ihres Mannes schonen?«
    Auf diese Frage antwortete El-Schaddai nicht, denn Er wußte, daß Zadok nach Beendigung des Kampfes nicht länger der Anführer seiner Sippe sein und die Entscheidungen, die ihn jetzt quälten, nicht treffen werde. Und was wichtiger war: Gewisse Fragen mußte ein Mensch selbst entscheiden, ohne sich auf einen anderen zu verlassen, und sei es auch sein Gott. Die Frage, ob die eigene Tochter und ihr Mann sterben müßten, war eine solche Frage. El-Schaddai blieb stumm. Und in diesem heiligen Schweigen schied El-Schaddai, um nie mehr mit Seinem bewährten, Seinem furchtsamen, Seinem aufsässigen Diener Zadok zu sprechen. Ephers Plan forderte Kühnheit von allen Hebräern und äußersten Mut von einigen wenigen. Die Männer und Frauen der Kinder Zadok wurden in vier Kampfgruppen gegliedert - Masse, Haupttor, Wassermauer, Stallungen. Zum Gelingen des Plans aber war der Nordwind unerläßlich. So warteten die Hebräer auf einen windigen Tag. In der Zwischenzeit drang allmorgendlich die Masse in scheinbar unverbesserlicher Torheit gegen die Mauern, so daß der Statthalter sich daran gewöhnte, seine Streitwagen auf sie loszulassen. An jedem der windstillen Tage wurden ein oder zwei Hebräer

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