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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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daß er fast stürzte. Doch es gelang ihm, sich zu fassen und seine müden Augen auf die vier Gesichter derer zu richten, die da vor ihm standen als Gerichtete, verständnislos und hartnäckig in ihrer Sünde befangen. Da begriff er, daß El-Schaddai diese Nacht gewollt hatte, um die wahren Greuel der Stadt offen aufzuzeigen. Selbst im Augenblick dieser Erkenntnis aber erinnerte sich Zadok des Versprechens seines Gottes, daß die Kanaaniter, sofern sie bereuten, noch immer gerettet werden könnten. Er hob seinen rechten Arm, zeigte mit langem knochigem Finger auf Uriel und fragte: »Zum letzten Male, willst du den Greueln Einhalt gebieten?« Keine Antwort. Zadok wies mit dem Finger auf Lea und ihren Mann und fragte: »Wollt ihr sogleich die Stadt der Verdammnis verlassen?« Beide schwiegen. Er fiel auf die Knie, schlug seinen Kopf dreimal auf die Fliesen, blickte aus dieser Stellung zum Statthalter auf und bat: »Als der demütigste deiner Sklaven - darf ich dich bitten, dich selbst zu schonen?« Die Kanaaniter blieben stumm. So erhob sich der alte Mann wieder. In der Tür wandte er sich noch einmal um, zeigte auf alle vier, einen nach dem andern, und dann auf die Stadt. »Dies alles wird vernichtet werden.« Und damit ging er. Es war zu spät, noch einmal schlafen zu gehen. Deshalb bestellte Rahab etwas zu essen. »Dein Vater redet wie ein sehr alter Mann«, sagte sie.
    »In der Wüste hat er oft mit sich selbst gesprochen«, erklärte Lea. »Ich habe dem Statthalter gleich geraten, ihn unschädlich zu machen«, murmelte Rahab. »Nun ist er es, der von unserer Vernichtung spricht.«
    »Vielleicht sollten wir die Hethiter gegen ihn losschicken«, sagte Uriel. Als Lea gegangen war, befahl Rahab ihrem Sohn, seine Frau nicht aus der Stadt zu lassen: »Denn sie ist eine Hebräerin; man kann ihr nicht trauen.«
    »Glaubst du, daß es zum Krieg kommen wird?« fragte Zibeon. »Er hat wie ein Irrsinniger geredet«, antwortete Uriel. »Und Irrsinnige bringen Krieg.« Bei Anbruch der Dämmerung ging er zur Nordmauer, sich mit seinen Hethitern zu beraten.
    Sobald Zadok bei seinem Zelt angekommen war, rief er seine Söhne zusammen und fragte sie nach ihren Plänen für die Einnahme von Makor. »Also gibt es Krieg?« wollten sie wissen.
    »In der vergangenen Nacht hat El-Schaddai uns befohlen, die Stadt zu zerstören«, antwortete der Alte.
    Überrascht schaute er auf, als Epher und Ibscha ihm einen bis in die Einzelheiten genauen Plan vortrugen, wie sie die mächtige Stadt einschließen und zur Übergabe zwingen wollten. »Viele von uns wird es das Leben kosten«, sagten sie warnend, aber in seinem Zorn wollte und konnte der alte Mann nicht an Verluste denken. Er nahm seine Söhne mit zum roten
    Zelt und weihte sie dem Werke El-Schaddais. Alle drei beteten schweigend.
    An jenem Morgen gingen, gleich nachdem das Tor geöffnet worden war, vier Hebräerinnen zum Brunnen. Gleichzeitig schlich eine Abteilung Männer durch das Wadi und die trockenen Schluchten bis in die Nähe der Wassermauer. Zwei der vier Frauen bewegten sich so unweiblich, daß es den Wachen hätte auffallen müssen. Doch die merkten nichts, sondern ließen die vier durch das Brunnentor in den dunklen Gang treten, wo sie schnellstens zu den unbesetzten Wachtstuben eilten. Dorthinein schlüpften die zwei Unweiblichen, warfen ihre Frauenkleidung ab und zogen lange Bronzedolche aus dem Gürtel. Die zwei wirklichen Frauen gingen ruhig weiter, fanden am Brunnen zwei Kanaaniterinnen und töteten sie. Mit Steinen gaben sie ihren hebräischen Brüdern draußen Klopfzeichen. Sofort begann der Trupp, Bresche in die Wassermauer zu schlagen. Zu spät erkannten die kanaanitischen Wachen die Gefahr. Sie gaben Alarm. Krieger stürzten aus der Stadt durchs Nordtor in den Tunnel. Aber hier hatten Epher und Ibscha ihnen mit Bänken und Krügen den Weg verlegt. Tapfer kämpften die beiden Hebräer gegen die Kanaaniter und hielten sie auf. Und nach einer Viertelstunde hatten die Hebräer von außen die Mauer durchbrochen und den Brunnen besetzt. Sie eilten nach vorn, Zadoks beiden Söhnen zu Hilfe. Aber als sie zur Wachtstube kamen, lag Ibscha tot, und Epher war schwer verwundet.
    Der erste Schlag der Hebräer gegen die Stadt war ein Erfolg geworden: Sie besaßen den Brunnen und konnten nun versuchen, die Stadt durch Durst niederzuzwingen. Der Statthalter erkannte sehr wohl, was das bedeutete. Außerdem waren fünf seiner Krieger im Gang der Wassermauer gefallen. Trotzdem hoffte er

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