Die Quelle
finden Sie eine Burg?« Er ließ die Frage wirken und sagte dann langsam: »Mein Gefühl sagt mir, wenigstens mit einem Graben im nordwestlichen Quadranten anzufangen. Aber da sind zwei Faktoren, die mich bedenklich stimmen. Der Tell steigt von West nach Ost leicht an. Daraus schließe ich, daß die Kreuzritterburg, entgegen allem sonstigen Brauch, im nordöstlichen Quadranten stand. Zweitens haben wir noch nicht entschieden, wo sich wohl der Hauptzugang zu den Siedlungen unseres Tell befand. Eliav und Tabari glauben, im Südwesten. Ich dagegen war der Ansicht, daß er sich genau im Süden, in der Mitte dieser Mauer, befunden hat. Jetzt muß ich aber zugeben, daß die anderen recht haben. Wenn es so ist, müßten wir im Südwesten nach dem Zugang und im Nordwesten nach der Burg graben. Das würde aber bedeuten, daß wir uns ganz auf den Westen konzentrieren. Heute nachmittag habe ich meine endgültige Wahl getroffen. Hier im Südwesten unser Hauptgraben« - er zeichnete eine kräftige gerade Linie in den Tell hinein - »und hier im Nordosten - ein
Graben auf die Burg zu.« Er deutete einen kurzen Einschnitt von Norden nach Süden an. Ein Aufatmen war zu hören: Die Entscheidung ist gefallen. Es war klar, was Cullinane vorhatte: Er wollte schnell nach der Kreuzritterburg graben, um den Geldgeber zufriedenzustellen. Und dann konnte er in aller Ruhe dort arbeiten, wo vermutlich das Tor lag, in der Hoffnung, all das zu finden, was die Geschichte des Tell erzählen sollte: die zerbrochenen Tonscherben und die Überreste von Mauern und Häusern. Als die Besprechung beendet war und die andern sich entfernt hatten, blieb nur Tabari im Zimmer. Er sah unzufrieden aus, und Cullinane dachte: Verdammt, das ist einer von denen, die einem zuhören und nichts sagen. Hinterher kommen sie dann zu dir und erklären, daß sie deine Entscheidung nicht gutheißen. Aber sofort verwarf Cullinane diesen Gedanken als seiner nicht würdig. Dschemail Tabari war nicht so einer. Wenn er Schwierigkeiten sah, hatte er bestimmt wichtige Gründe. »Was gibt’s, Dschemail?«
»Du hast in jeder Beziehung recht«, fing Tabari an. »Außer in einer?«
»Genau.« Der Araber deutete auf die große Karte. »Graben A ist ganz richtig da, wo er sein soll. Und Graben B wird sicherlich die Burg treffen. Was mir nicht gefällt, John, ist dein Plan, den Schutt in das Wadi zu werfen.« Er zeigte auf das tiefe Flußbett im Norden des Tell und ließ seine schlanken Finger liebevoll über die Stelle gleiten, die Cullinane auffüllen wollte.
»Warum nicht?« fragte Cullinane. »Die Stelle ist doch wie geschaffen für den Schutt.«
»Genau«, pflichtete Tabari ihm bei. »Aber aus dem gleichen Grunde kann gerade hier allerlei passiert sein. Man kann Leichen bestattet haben, man wird Abfälle hineingeworfen haben, und es könnte dort Höhlen geben. John, wir haben hier große Dinge vor. Wir graben nicht nur eine Kreuzritterburg aus, zur Befriedigung eines.«
»Genau«, gab Cullinane das Wort an Tabari zurück.
»Bei allen meinen Forschungen gibt es immer eine Sache, die mich beunruhigt. jedesmal. Sollen wir nicht doch noch einmal zum Tell gehen?« Er führte Cullinane den Pfad hinauf bis zur Hochfläche. Dort oben sahen sie zu ihrer Überraschung jemanden knien, an der Ostseite, wo Graben B verlaufen sollte. Als er die beiden sich nähern hörte, glitt er lautlos den Abhang hinunter und verschwand. »War das nicht Eliav?« fragte Tabari.
»Ich glaube kaum«, erwiderte Cullinane, obwohl er wußte, daß er es gewesen war.
Tabari schlug den Weg zur Nordkante des Tell ein, von der sie den sehr steilen Hang hinab auf den Grund des Wadi blicken konnten. Es war ein gefährlich schroff abfallender Hang, nur auf halber Höhe von einem knapp hundert Meter messenden Stück flachen Bodens unterbrochen, bevor es senkrecht bis zum Flußbett hinabging. »Das, was mir bei allem, was ich gelesen habe, fehlt«, sagte Tabari, »hat mit dem Wort Makor zu tun. Makor. Quelle. Damit hängt alles andere zusammen. Die Quelle. Wasser als Faktor des Lebens. Warum hat sich denn eine Generation nach der anderen hier angesiedelt? Es kann nur darum gewesen sein, weil es Wasser gab. und zwar viel Wasser. Aber wir haben keine Ahnung, wo.«
»Und der Kibbuz, woher bekommt der sein Wasser?«
»Aus einem neu angelegten artesischen Brunnen.«
»Daraus läßt sich also nichts schließen«, sagte Cullinane. »Glaubst du, daß der ursprüngliche Brunnen vielleicht außerhalb der Stadtmauern
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