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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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ergriff Tabari das Wort. »Sind Sie das auf diesem Bild?«
    »Dr. Cullinane war dabei, als der Mann es aufgenommen hat.« Cullinane sah sich das Foto an und sagte: »Ich kann mich nicht erinnern, daß Sie so ausgesehen haben.«
    »Kurz bevor der Mann das Bild machte, schnitt er eine Grimasse«, erklärte der Rumäne. »Ich schreckte zurück.«
    »Aber Sie haben doch wohl nichts über einen >Fluch des Todes< gesagt?«
    »Nein. Aber als der Mann zu seinem Wagen ging, rief er mich heran und fragte, ob ich glaube, daß ein Leuchter verflucht sein kann. Um ihn loszuwerden, habe ich gesagt: >Mag sein.<«
    Noch am gleichen Nachmittag stellten sich die ersten Ausflügler beim Tell ein: ob sie den Kerzenleuchter des Todes sehen könnten. Am nächsten Morgen erschien ein Reisebus. Cullinane war bekümmert. Er ging zu Eliav und sagte: »Ich habe so sehr darauf geachtet, daß nichts mit dem guten Ruf unserer Ausgrabung passiert. Sechs von denen, die sich freiwillig gemeldet hatten, waren Sensationsschreiberlinge. Die habe ich uns vom Hals halten können.«
    »Wir haben Ihr sehr vernünftiges Interview mit dem Reporter in Chicago gelesen, der Ihnen unterschieben wollte, Sie hofften, mit dieser Ausgrabung neue Belege dafür zu finden, daß die Bibel doch recht hat.« Eliav zündete seine Pfeife an. »Gewiß. Aber wir graben ja tatsächlich in den Fundamenten dreier Weltreligionen. Wir müssen für eine saubere Berichterstattung sorgen.«
    »Erwarten Sie übrigens wirklich, Material über das frühe Christentum zu finden?« fragte Eliav.
    »Material? Meinen Sie Handschriften. Beweise? Nein. Einen Einblick? Ja.« Beide schwiegen. Nach einer Weile fragte
    Cullinane: »Hoffen Sie als Jude nicht etwas zu finden, das Aufschluß geben könnte über.«
    »Warum, glauben Sie, arbeite ich an diesen Ausgrabungen?« fragte Eliav. »Jedesmal, wenn ich einen Pickel in die Erde treibe, hoffe ich zaghaft, etwas zu entdecken, das mir mehr über das Judentum aussagt.« Er zögerte. »Nein, so ist es nicht richtig. Nicht mir soll es etwas aussagen. Der Welt. Denn die Welt muß es erfahren.« Die Verantwortung für das, was sie hier taten, war der Grund, warum ihnen diese Zeitungsartikel zuwider waren. Sie rechneten kaum damit, unerwartet Neues über die jüdische Religion, über das Christentum oder den Islam zu entdecken, wohl aber hofften sie auf Einblicke in die jeweilige gesellschaftliche Situation zur Zeit des Werdens dieser Religionen. »Von jetzt an werden wir alle Reporter und Touristen fernhalten«, beschloß Cullinane. Aber kaum hatte er das gesagt, erschien Tabari mit einem Telegramm aus Chicago:
    CULLINANE STOP ANDERE FUNDE KANN DIE REGIERUNG VON ISRAEL FUER SICH BEANSPRUCHEN STOP AUF JEDEN FALL ABER SICHERN SIE DEN LEUCHTER DES TODES FUER CHICAGO STOP PAUL J. ZODMAN
    Cullinane schüttelte den Kopf, gab aber Tabari den Auftrag, Zodman zu versichern, man werde dafür sorgen. Chicago solle den Leuchter bekommen. Schon am nächsten Tag war aller Ärger vergessen angesichts dessen, was Eliav berichtete: Die Arbeiter im Graben B hatten wirklich den Beweis dafür erbracht, daß man bereits innerhalb der Ruine der Kreuzfahrerburg grub. »Eine Inschrift, die auf 1105 n. Chr. datiert werden kann, John! Wir sind auf die Burg gestoßen!«
    Als sich die Nachricht über die Entdeckung im Kibbuz herumsprach, geschah etwas Merkwürdiges: Die Arbeiter in der Hühnerfarm und die Köche in der Küche, die Knaben in der Schule und die freiwilligen Helfer aus den verschiedensten Ländern - alle ließen sie ihre Arbeit liegen und eilten still zum Tell, wo sie voller Spannung zusahen, wie die Archäologen vorsichtig an Steinen herumklopften und die Mädchen feinen Schutt fortbürsteten. Über Tausende von Kilometern waren Forscher hierher gekommen, um die Geheimnisse ihres Tell zu erforschen, und nun hatten sie etwas Wichtiges gefunden. Es war ein großartiger Augenblick. So viele Zuschauer drängten sich an den Rändern des Grabens B, daß Tabari sie zurücktreten lassen mußte, damit die Wände nicht einstürzten. Jetzt sprangen zehn Arbeiter hinunter, um den letzten Schutt herauszuschaffen. Den Felsen mit der Inschrift aber rührten sie nicht an, denn zunächst mußte er in seiner ursprünglichen Lage fotografiert werden. Dann sollte die Zeichnerin ihn so skizzieren, wie man ihn gefunden hatte. Nach solchen Fotos und Zeichnungen konnte später vielleicht irgendein einfallsreicher Museumsmann, der Makor selbst niemals gesehen hatte, eine Deutung geben,

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