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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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war es nur folgerichtig, daß, als der Enkel Ephers die Verehrung Jahwes in Makor einführte, für den neuen Gott der alte Tempel eingerichtet wurde. Wenn sich ein Durchschnittsbürger von Makor vor Jahwe niederwarf, hätte er wohl kaum erklären können, welchen Gott er anbetete, denn El war in Baal aufgegangen, dieser in El-Schaddai und alle zusammen in Jahwe, den Gott des Mose.
    Gerade zu jener Zeit gewann der Kult der Hebräer seine Gestalt. Denn von Jerusalem aus bemühten sich König David und seine Priester, ganz Israel mit einem klar ausgeprägten Glauben zu durchdringen. Makor allerdings übernahm diese Reformen nur langsam; der kleine Tempel dort war auch weiterhin viel mehr der Mittelpunkt eines alten Gemeinschaftskults als eine Stätte des für das ganze Reich einheitlichen Ritus.
    Am Ende der Straße stand das Haus Jabaal-Wiedehopfs. Seine Vorfahren hatten es vor vielen Jahren gebaut, und seitdem war es von ehrbaren Menschen bewohnt worden, die sich bemüht hatten, ein ehrbares Leben zu führen. Als Kanaaniter freilich hatten sie ihre Treue zu Baal oft verheimlichen müssen, aber weiter war ihre Doppelzüngigkeit auch nicht gegangen. Und die letzten Generationen hatten sich ehrlich zu Jahwe bekannt, ihre Söhne beschnitten und ihre Töchter mit Söhnen aus den besten hebräischen Familien verheiratet. Die Verschmelzung hatte ihren Höhepunkt erreicht, als Wiedehopf mit der einzigen Tochter des Schemuel ben Zadok ben Epher, des hebräischen Priesters, vermählt wurde. Das junge Paar war in das alte Haus der Familie gezogen.
    Dieses Haus war zum größten Teil aus Stein gebaut und innen mit einem kühlen Weiß verputzt. In zwei Zimmern sah man Wandgemälde in Rot und Blau, nicht eigentlich Bilder besonderer Geschehnisse, aber doch Darstellungen der Wüste, aus der die Hebräer gekommen waren, und der Berge, der Heimat der Kanaaniter; der schönste Schmuck des Hauses war jedoch Kerith, Wiedehopfs hübsche dunkelhaarige Frau. Siebenundzwanzig Jahre alt, war sie etwas größer als Wiedehopf und viel schlanker; im regelmäßigen Gesicht mit der elfenbeinfarbenen Haut fielen die wohlgeformte Nase und die blauen hebräischen Augen auf. Ihr Mann war geradezu vernarrt in sie, und da er wußte, wie gern sie Schmuck hatte -nicht aus Habgier, sondern weil sie kleine Kunstwerke darin sah -, kaufte er ihr oft schöne Glasperlen aus Ägypten oder Email aus Zypern; sie bewahrte die kleinen Schätze in Rosenholzschächtelchen auf und trug nur einen schweren silbernen Anhänger aus Persien, in dessen Mitte ein großes, unregelmäßig ovales Stück Bernstein aus den fernen Ländern des Nordens prangte. Der goldene Bernstein leuchtete auf den feinen Wollkleidern, die sie gern anzog, und seine Farbe paßte zum Gelb der Stoffbänder, mit denen sie ihre Gewänder einfaßte. Kerith war eine äußerst aufmerksame Frau, klug, eine liebevolle Mutter und die ganze Freude ihres dicken kleinen Mannes. Ein herzliches Einverständnis verband die beiden, wenn es auch in Makor schönere Männer gab - und Kerith konnte deren viele schon bei einem kurzen Spaziergang durch die Straßen sehen -, keiner hätte sie so angebetet. Nur in einem waren sie verschiedener Meinung: Kerith, als Tochter eines strenggläubigen Mannes, der Jahwe fast von Angesicht zu Angesicht gesehen hatte, war von ihrem Vater ganz in der
    Hingabe an diesen Gott erzogen worden; Wiedehopf, als Baumeister, der mit dem Erdboden arbeiten mußte, war zwar durchaus willens, Jahwe anzuerkennen, aber er wußte auch aus eigenster Erfahrung, daß Baal das Erdreich regierte, und für einen Baumeister wäre es einfach Torheit gewesen, den Gott des Erdbodens nicht zu beachten oder zu leugnen. Solche Zwiespältigkeit gab es auch in vielen anderen Familien von Makor; meist allerdings hielt der Mann zu dem Gott der Hebräer, während die Frau abergläubisch bei den altvertrauten Göttern blieb; in Wiedehopfs Fall war es die in Urs Geschlecht seit Anbeginn bestehende innige Bindung an die Erde, die dieses Verhältnis umgekehrt hatte. Dennoch lebten er und seine Frau in Eintracht, weil jeder des anderen Glauben duldsam achtete.
    An einem Tag im Monat Abib, im Frühjahr des Jahres 966 v. Chr. als die Frühlingsregen niedergingen und das Wadi Hochwasser führte, als die Gerste reifte, als am Rand der Sümpfe Anemonen und Zyklamen und Schlangenwurz blühten, an einem Tag in diesem Monat Abib, in dem der Wiederaufbau der Mauern beendet war, ging Wiedehopf bekümmert nach Hause. Seine Frau

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