Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
Vom Netzwerk:
begrüßte ihn an der Haustür, er aber ließ sich schwer auf einen mit Ziegeln verkleideten Sitz neben der Tür fallen.
    »Ich mache mir Sorgen, Kerith«, sagte er.
    »Ich habe deine neue Mauer gesehen. Sie sieht sehr fest aus.« Kerith brachte ihm einige Gerstenkuchen und ein Getränk aus heißem Wein und Honig. Jabaal stärkte sich.
    »Als ich heute die Mauern noch einmal besichtigte, habe ich auf den Reichtum der Stadt hinabgesehen. Hinter dieser Straße die besten Färbereien im ganzen Norden, außerhalb der Mauern die Rastplätze für die Karawanen. Und die schönen Häuser. Kerith, diese Stadt ist eine Versuchung für alle unsere
    Feinde im Westen. Sie ist das Tor auf dem Weg nach Jerusalem.«
    »Aber hast du nicht deshalb die Mauer gebaut?«
    »Die Mauer wird sie abhalten. Dessen bin ich sicher. Aber weißt du, wie die Stadt verlorengehen kann?«
    Sie wußte es. Wie alle jungen Frauen von Makor war sie oft genug mit ihrem Wasserkrug auf dem Kopf durch das rückwärtige Stadttor im dunklen Gang der Wassermauer zum Brunnen gegangen. Und vor vier Jahren - Kerith war damals mit ihrem jüngsten Sohn schwanger -, als die Phönizier die Stadt belagerten, hatte sie beim Gang zum Brunnen voller Angst gehört, wie die feindlichen Krieger versuchten, die den Brunnen sichernde dünne Mauer zu durchbrechen. Seitdem wußten die Bewohner von Makor, daß ihre Stadt eingenommen worden wäre, wenn die Phönizier ihre Rammböcke gegen die Wassermauer anstatt gegen die alten Stadtmauern gerichtet hätten. Und annehmen zu wollen, auch beim nächsten Angriff werde es so sein, bedeutete Selbsttäuschung um so mehr, als nun die Stadtmauer erneuert war; Kerith wußte sehr genau, daß die Phönizier jetzt noch Makor einnehmen konnten, wenn sie nur wollten, weil die neue Mauer ihres Mannes nicht genügend Sicherheit bot; aber wie sie es heute nicht wahrhaben wollte, aus vielerlei Gründen, die sie schweigen ließen, sollte es auch in den kommenden Wochen bei solchen Gesprächen sein. Gewiß, sie liebte ihren dicken kleinen Baumeister, und sie stärkte ihm den Rücken gegen Männer wie den Statthalter, der sich gern über Jab aal lustig machte. Aber sie war sich auch dessen bewußt, daß ein neues Bauvorhaben in Makor sie weiter wie eine Gefangene in der Stadt festhalten, daß es ihren Zukunftstraum zerstören mußte. Deshalb hörte sie mit Besorgnis, wie er sagte: »Ich habe meinen Entschluß gefaßt. Der Moabiter und ich, wir haben einen Plan, Makor wirklich zu sichern. Heute wollte der
    Statthalter mich nicht anhören. Aber morgen muß er.« Überzeugt, richtig zu handeln, legte sie ihre Hand auf Wiedehopfs Arm und sagte ruhig: »Mach dich nicht lächerlich, Jabaal. Wenn der Statthalter nicht deiner Meinung ist, streite dich nicht mit ihm. Du findest auch anderswo Arbeit.« Ihre sanften und so vernünftig klingenden Worte, ihre leise und tröstende Stimme hatten fast erschreckende Wirkung auf Wiedehopf, denn er verstand sehr genau, was sie bedeuteten. Für einen kurzen Augenblick war er gewillt, bei ihr sitzenzubleiben und offen über all die Schwierigkeiten zu reden, die sich ihnen entgegenstellten; aber damit waren so viele wichtige Dinge verknüpft, daß er es lieber ließ. Er liebte Kerith viel zu sehr, als daß er sie hätte beunruhigen wollen, ehe seine Pläne fertig ausgearbeitet waren. So trank er seinen süßen Wein aus und ging mit einer Lederrolle in sein Zimmer. Hier saß er bis tief in die Nacht und zeichnete die ersten Entwürfe zur Sicherung von Makor auf. Am nächsten Morgen aber, gleich nachdem er seine Sklaven zur Arbeit geführt hatte, meldete er sich beim Statthalter. Seine ersten Worte waren: »Herr, unsere Mauer ist vollendet. Nun aber mache ich mir immer größere Sorgen um unsere Wasserversorgung.«
    »Ich habe dir befohlen, die Wassermauer auszubessern«, sagte der Statthalter. »Ich habe sie mir kürzlich angesehen. Dein Moabiter hat das sehr gut gemacht.«
    »Herr, mit dieser Mauer halten wir niemanden mehr zum Narren. Fünfzig Phönizier genügen, sie niederzureißen.«
    »Das letzte Mal haben sie es nicht getan.«
    »Aber sie wollten es schon. Das nächste Mal werden sie es tun.«
    »Was willst du machen?« fragte der Statthalter. »Sollen deine Sklaven eine neue Doppelmauer bauen?«
    »Ich habe einen ganz anderen Plan«, antwortete Wiedehopf.
    Der Statthalter lachte, legte seine Hand auf die Schulter des dicken Baumeisters und sagte herablassend: »Ich verstehe dich, Wiedehopf. Du hast die Stadtmauern

Weitere Kostenlose Bücher