Die Quelle
Kinder umringt, die ihm fröhlich im Chor zuriefen: »Wie-de-hopf, Wie-de-hopf, Wie-de-hopf!«
Er blieb stehen. Sein sorgenvolles Gesicht erhellte sich und verzog sich zu einem Lächeln, dann zu einem Halbmond. Er griff nach einem kleinen Mädchen, warf es in die Luft, und als er es wieder auffing, gab er ihm einen Kuß. »Süßigkeiten, Süßigkeiten!« quietschte die Kleine. Er stellte sie auf den Boden, um scheinbar ernsthaft in seinen Taschen zu suchen, als wisse er nicht, wo er die guten Dinge versteckt hatte. Andere Kinder liefen herbei und tänzelten unruhig auf den Zehenspitzen um ihn herum, als er immer noch suchte. Endlich brachte er ein Stoffsäckchen zum Vorschein, das mit kandierten Früchten gefüllt war. Er verteilte sie unter die Kinder und setzte dann seinen Heimweg fort, während die Kleinen ihm auf den Fersen blieben und vergnügt ihr »Wie-de-hopf, Wie-de-hopf« riefen. Solange Menschen im Land Israel gelebt hatten, war ein sonderbarer Vogel ihr Begleiter gewesen, der Wiedehopf. Mehr als alle anderen Lebewesen hatte er sie erheitert, dieser hübsche Vogel von der Größe einer Turteltaube mit seinem hellbräunlichen Gefieder und den schwarz-weißen Schwingen. Er lief viel mehr auf dem Boden herum, als daß er flog, immer geschäftig umhereilend und höchst lächerlich anzusehen wie ein Bote, der eine wichtige Nachricht überbringen soll, aber die Einzelheiten vergessen hat. Und noch lustiger sah er dadurch aus, daß er seinen Kopf gleich einem Hämmerchen mit erstaunlicher Geschwindigkeit nickend auf- und abbewegte. Vorn am Kopf saß ein langer Schnabel, hinten ein Federschopf, fast ebenso lang, als bilde er das Gleichgewicht zum Schnabel. Am hübschesten aber sah es aus, wenn der Vogel den Schopf aufrichtete wie eine Krone, geziert mit schwarzen Perlen.
Dieser drollige Vogel hatte noch eine merkwürdige Eigenschaft: Wo er im Boden eine Spalte oder ein Loch sah, fuhr er mit dem Schnabel stochernd hinein, bis er einen Käfer oder einen Wurm gefunden hatte. Und kein Loch, keine Ritze entging ihm, wenn er, neugierig den Kopf hierhin und dorthin wendend, über seine Jagdgründe dahinschritt.
Solange die Menschen sich erinnern konnten, hieß dieser sonderbare Vogel Wiedehopf. Er konnte weder singen wie die Lerche noch klagen wie die Taube, und sein Rufen, das wie »hupupup« klang, hatte nichts Poetisches. Aber den Ägyptern war der Wiedehopf heilig, und den Kanaanitern galt er als klug, denn Baal hatte ihn mit einem üblen Duft ausgestattet und dann Edelsteine in seinem Nest versteckt, dessen Geruch alle Diebe fernhielt. Für die Hebräer wiederum bedeutete der Vogel ein Sinnbild der Familientreue, denn die jungen Vögel, so hieß es, sorgten für ihre Eltern, deckten sie in kühlen Nächten zu und pickten ihnen während der Mauser die abgestorbenen Federn aus den Flügeln. Allen jedoch war der seltsame Vogel, der fliegen konnte, aber es nur selten tat, ein Gegenstand der Belustigung, und selbst so wichtige Männer wie der Statthalter hielten in ihrer Arbeit inne, um dem eifrigen kleinen Erdarbeiter zuzuschauen.
»Wiedehopf« aber nannte man in der Stadt Makor während der letzten Jahre der Herrschaft König Davids in Jerusalem auch einen Baumeister; seine Mitbürger hatten ihm den Namen gegeben, weil auch er fast den ganzen Tag umhereilte und in alle möglichen Löcher blickte. Und wie den Vogel, nach dem er benannt wurde, mochten sie auch ihn, den kleinen dicken Gesellen, gern, teils weil er die Leute lachen machte, teils weil er allenthalben für einen gutwilligen Mann galt. Er war so liebenswert, daß sogar der Statthalter in einem seiner seltenen klaren Augenblicke von ihm gesagt hatte: »Wiedehopf ist der glücklichste Mann unserer Stadt, denn er liebt seine Arbeit, seine Frau und seine Götter, und zwar in dieser Reihenfolge.«
Wiedehopfs Arbeit bestand im Bau einer neuen Wehrmauer um die Stadt Makor; schon ein paar Jahre war er damit beschäftigt. Seine Frau war die junge Kerith, deren Vater, ein Priester, sie einmal nach Jerusalem mitgenommen hatte; dort, in der Hauptstadt, hatte sie König David in all seiner Herrlichkeit gesehen. Wiedehopfs Götter waren die altüberlieferten Götter von Makor. Da gab es Baal, den Schutzherrn der Kanaaniter, der noch immer in demselben Monolithen auf demselben Berg wohnte und über so weltlichen Dingen wachte wie die Wasserversorgung und den Mauerbau. Und es gab Jahwe, den Gott des Mose, einen neuen Gott der Hebräer, der sich Schritt für Schritt aus
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