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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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wiederaufgebaut, und jetzt fürchtest du, Jerusalem könnte dir deine Sklaven wegnehmen, wenn du nicht sofort mit etwas Neuem beginnst. Habe ich nicht recht?«
    »Ich mache mir nicht um die Sklaven Sorgen, sondern um die Sicherheit meiner Stadt.« Er verbesserte sich: »Eurer Stadt.«
    Der kleine Mann hatte mit solchem Ernst gesprochen, daß der Statthalter ihm zuhören mußte. »Gut, was ist es?«
    Wiedehopf schluckte vor Aufregung und legte dann zum erstenmal seinen kühnen Plan vor. Indem er seine Hände wie große Schaufeln bewegte, sagte er: »Hier ist die Mitte der Stadt. Und da, noch innerhalb der Mauern, müssen wir einen Schacht in die Erde treiben, fast so groß wie dieses Zimmer, neunzig Ellen tief durch Schutt und Felsen senkrecht hinab in die Erde.« Der Statthalter schnappte nach Luft. »Unten graben wir dann einen unterirdischen Stollen, der unter der Stadtmauer hindurch bis zum Brunnen führt.«
    »Wie lang soll der Gang sein?«
    »An die zweihundert Ellen lang, und hoch genug, daß die Frauen darin gehen können. Dann türmen wir außerdem Berge von Steinen über den Brunnen, und damit sind wir endlich gegen jede Belagerung gesichert.« Er bewegte seine rechte Hand hin und her, um damit anzudeuten, wie die Frauen ungestört durch den Gang gehen konnten.
    Dem Statthalter erschien der Vorschlag so unglaubwürdig, daß er laut lachen mußte. Er vermochte sich kein Loch zu denken, das fast so groß wie sein Zimmer sein und dazu noch so tief in die Erde gebohrt werden sollte; und die Vorstellung eines unterirdischen Ganges, der durch den Felsen getrieben wurde und dabei irgendwie auf den Brunnen traf, erschien ihm einfach als Verrücktheit. »Wiedehopf, wir brauchen hier keine weiteren Grabereien mehr«, sagte er seinem Baumeister. »Kauf dir einen Hof vor den Mauern der Stadt und grab nach Würmern.« Sein Witz gefiel ihm so gut, daß er mit dem Kopf nickte wie ein Wiedehopf und wiederholte: »Nach Würmern! Verstehst du?«
    Wiedehopf ließ sich seinen Groll nicht anmerken. »In einem habt Ihr recht, Herr. Wir sollten damit beginnen, ehe sie uns die Sklaven fortnehmen.«
    »Siehst du! Ich wußte ja, daß dir das Sorge macht.«
    »Ja. Wir haben eine gut eingearbeitete Mannschaft. Und der Moabiter ist der beste Vorarbeiter, den wir jemals in Makor hatten.«
    »Ich bin sicher, daß Jerusalem die Sklaven anfordert«, erwiderte der Statthalter. Er führte den Baumeister zur Tür und nickte dabei mehrmals mit dem Kopf. »Du gräbst mir nach Würmern.« Damit schloß er die Tür hinter dem albernen Mann mit dem albernen Einfall, ein Loch durch das Herz der Stadt zu graben. Wiedehopf ging nicht zur Arbeit, sondern nach Hause, wo er den Plan seiner Frau Kerith auseinandersetzte: Schacht, unterirdischer Gang, Zudecken des Brunnens. Aber Kerith brachte ihn sofort durcheinander, indem sie sagte, daß sein Vorhaben unausführbar sei. »Wie kann jemand vom Boden eines Schachtes aus einen abfallenden Gang graben und dabei hoffen, daß er auf ein so kleines Ziel trifft, wie es der Brunnen ist?«
    »Das laß meine Sorge sein.«
    Sie lachte. »Wie willst du unter der Erde sehen? Wie ein Maulwurf?« Er war es müde, anderen seine Vorstellungen zu erklären, denen sie doch nicht folgen konnten. So küßte er seine Frau zum Abschied und kletterte auf die Mauer hinter seinem Haus. Der Hügel, auf dem Makor lag, war jetzt so hoch geworden, daß Wiedehopf von der Stadtmauer nach Westen blickend Akcho liegen sah. Phönizische Schiffe brachten dort aus vielen Häfen Männer und Waffen heran, die eines Tages gegen Makor geführt werden konnten. Wie weit entfernt schien diese Stadt zu sein für jemanden, der sie nur als Kind gesehen hatte, und wie nah jedoch war sie dem, der die Macht und die Habgier der Phönizier kannte! In düsteren Gedanken ging er die Befestigungen entlang zum nördlichen Ende der Stadt, zur Wassermauer, die vom rückwärtigen Tor zum Brunnen führte. Doch er verschwendete jetzt seine Gedanken nicht mehr auf diese veraltete und so gefährlich gewordene Anlage, die einen entschlossenen Gegner kaum noch aufhalten konnte. Statt dessen sah er hinab zum Wadi und dann an den gegenüberliegenden Bergen empor, bis sein Blick eine Stelle auf dem Hang erreichte, über dem der Monolith des Baal stand. Genau blickte er hin und nickte zufrieden, als er auf dem Berg die gesuchte Stelle gefunden hatte. »Ich weiß, daß es möglich ist«, murmelte er. Dann sah er wieder auf die Wassermauer und setzte in Gedanken an ihre

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