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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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Stelle seine Anlage: Schacht und Gang. Und indem er sich das, was er erdacht hatte, bereits vollendet vorstellte, blickte er nach Westen, hinüber nach Akcho, und sagte sich: Wenn die Phönizier einmal zuschlagen, werden sie keinen Brunnen mehr finden, den sie besetzen können.
    In den nächsten Wochen allerdings sah es so aus, als werde es nie einen unterirdischen Gang geben, denn als Wiedehopf, überzeugt von der Richtigkeit seines Plans und noch begeisterter als zuvor, abermals zum Statthalter ging, erreichte er gar nichts. Der Statthalter hatte gute Gründe für seine Ablehnung. Man war in Jerusalem sehr davon angetan, daß er überschüssige Einnahmen in die Hauptstadt abführte, statt um Mittel für die Stadt zu bitten, und er hatte nicht die Absicht, das zu ändern. Er dachte gar nicht daran, Makors Reichtum zu schmälern, indem er ihn in Wiedehopflöchern anlegte. »Wenn ich mit diesem Plan nach Jerusalem komme, werfen sie mich hinaus«, prophezeite er.
    Wiedehopf wurde zornig. »Was wollt Ihr mit dem Plan in Jerusalem? Ihr selbst wißt ja nicht einmal, was er bedeutet.«
    »Um zu erkennen, was Verschwendung ist, brauche ich keine Pläne«, erwiderte der Statthalter nicht minder ärgerlich. Und schon führte ein Diener den Baumeister zur Tür.
    Um seine gut eingearbeitete Sklavenmannschaft nicht zu verlieren, ließ Wiedehopf sie den Tempelplatz neu pflastern. Dann wurden zwei weitere Speicher für Weizen gebaut. Tief in die Erde von Makor hinein gruben sich die Sklaven und verputzten die Wände der Speicherschächte mit Kalk, um das Eindringen von Tieren und das Durchsickern von Wasser zu verhindern. Oft kletterte er zu ihnen hinunter und beaufsichtigte sie bei der Arbeit; wenn sein rundes Gesicht mit dem schwarzen Bart dann wieder am Eingang des Schachtes erschien, riefen die Leute: »Was suchst du, Wiedehopf? Würmer?«
    Am Abend aber, wenn die Sklaven zurückgekehrt waren in ihr Lager, ging Wiedehopf regelmäßig zur nördlichen Stadtmauer und setzte seine Berechnungen fort. Sie mußten fertig sein, wenn der Bau jemals gestattet werden sollte. Er kannte das Gelände nun gut genug und wußte, wie er vorzugehen hatte: Innerhalb der Mauer, nahe dem Brunnentor, mußte er den Hauptschacht etwa zwanzig Armlängen durch den Schutt des Hügels abwärts graben, dann weitere fünfundvierzig Armlängen durch festes Gestein. In dieser Tiefe konnte der schräg abfallende Stollen beginnen, der etwa einhundertvierzig Armlängen weit zum Brunnen führen sollte. Die ganze Anlage verlangte also mehr als zweihundert Armlängen Grab- und Bohrarbeit, und das zum größten Teil durch harten Felsen. »Aber am Ende hätten wir eine Wasserversorgung, der kein Feind etwas anhaben kann!«
    Wiedehopf sah bereits die Frauen wie sie die Treppen in den Schacht hinunterstiegen mit leeren Krügen auf dem Kopf und dann durch den leicht abschüssigen Gang zum Brunnen gingen, unerreichbar für die Feinde, mochten die oben noch so wüten. An einem Abend gegen Ende des Monats Abib war Wiedehopf so weit: Er vollendete seinen Entwurf auf dem Stück Leder und begann damit, Einzelheiten des Vorhabens in kleine Tontafeln zu ritzen.
    Aber es war so entmutigend, niemanden zu haben, mit dem er seinen großartigen Plan besprechen konnte - der Statthalter war gar nicht in der Lage sich vorzustellen, was die Linien und Zeichen bedeuteten, und Kerith blieb noch immer bei ihrem ersten Einwand: Wollte Wiedehopf sich blind wie ein Maulwurf durch die Erde wühlen?
    Hatte Wiedehopf wirklich niemanden, der ihn verstand? Spät am Abend rollte er sein Stück Leder zusammen und verließ die Stadt in Richtung auf das Sklavenlager außerhalb der Mauern. Es war ein Ort des Schreckens. Gefangene aus vielen Völkern hatte man in fauligen Hütten zusammengepfercht und fütterte sie mit Wassersuppen. Hebräische Krieger bewachten das Lager, bereit, jeden zu töten, der zu flüchten versuchte. So schleppten sich die Sklaven im Elend der Zwangsarbeit einige Jahre voll des Grauens dahin, bis sie umkamen. Nur zwei Gründe der Rechtfertigung gab es für diese Abscheulichkeit: Wenn Hebräer von Ägyptern oder Amalekitern gefangengenommen wurden, erging es ihnen keineswegs besser; vor allem aber gelangten gerade aus diesem Sklavenlager ständig Männer zu menschenwürdiger Arbeit und sogar in die Freiheit, denn Wiedehopf verachtete diese Art der Sklaverei und tat, was er nur konnte, die Männer aus ihr zu befreien. Nicht wenige Bürger von Makor waren einst Gefangene in diesem

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