Die Quelle
Wiedehopf erzählt hatte, gab mit einiger Genauigkeit die historische Wirklichkeit wieder. Schon Jahrhunderte bevor der alte Zadok seine Sippe nach Makor geführt hatte, waren andere Patriarchen mit ihren Sippen nach Ägypten gezogen. Sie hatten einen Wüstengott verehrt, der sich kaum von El-Schaddai unterschied. Aber während des so wechselhaften Geschicks der Hebräer in Ägypten und am Sinai war dieser Gott gewaltig gewachsen, weit hinaus über die Götter der kleineren hebräischen Sippen und Gruppen, die nicht so weit fortgezogen waren. Und als dann die Stämme, die sich um Mose geschart hatten, nach Kanaan zurückkehrten, wurde Jahwes Überlegenheit offenkundig. Wenn Jahwe zu solcher Macht hatte reifen können, so war das aber auch ein Beispiel dafür, daß Not und Druck eher zur Erleuchtung führten als das widerstandslose Annehmen einer Gottheit: Die so nachgiebige Stadt Makor mit ihren liebenswerten Göttern hätte niemals einen Jahwe hervorbringen können; dazu waren die Knechtschaft in Ägypten und der Streit mit dem Pharao, der Auszug und die Jahre des Hungerns und Dürstens in der
Wüste, das Sehnen nach einer Heimstatt und das geistige Verlangen nach einem geoffenbarten Gott nötig gewesen -alles das hatten die von Mose geführten Hebräer gebraucht, damit ihr Gott zu dem Einen Jahwe hatte werden können.
Doch selbst in der Stunde des Sieges über die kleineren hebräischen Götter war Jahwe immer nur ein Gott der Hebräer geblieben. Noch war damals - in den Jahrzehnten zwischen Saul und Salomo - die Zeit nicht gekommen, daß die Kinder Israel verkünden konnten, ihr Gott sei der allein und über alles Herrschende. Solch eine Erweiterung seiner Macht sollte noch Jahrhunderte auf sich warten lassen. Aber jetzt, in den Tagen König Davids, war Jahwe doch schon als Gott aller Hebräer anerkannt, vom Norden bis zum Süden, und all die Bündnisse, die Er mit dem von Ihm als Seinem Eigentum erwählten Volk seit der Zeit Abrahams her geschlossen hatte, waren gültig, selbst in so abgelegenen Orten wie Makor. Die Gestalten des El - die Elohim, Elijon und El-Schaddai - waren für immer eingegangen in den Einen, der ihre Nachfolge angetreten hatte. Mit immer wachsender Macht wurde Jahwe aber auch der immer Fernere. Man konnte nicht mehr mit ihm im Olivenhain reden, und es war nun schon vierhundertfünfzig Jahre her, seitdem der letzte Hebräer von Makor mit seinem Gott gesprochen hatte: Epher war es gewesen, Zadoks Sohn, der Makor erobert und zerstört hatte. Als die Verlockung, Baal zu verehren, zu groß geworden war, hatte der rothaarige Feldherr den Entschluß gefaßt, seine Hebräer an einen anderen Ort zu führen, aber am Abend vor dem Aufbruch war ihm El-Schaddai zum letztenmal erschienen und hatte also gesprochen: »Habe Ich euch nicht in diese Stadt geführt und sie euch nach vielen Beschwernissen gegeben? Ist es nicht eure Pflicht, sie zu nehmen, wie sie ist, und etwas Gutes aus ihr zu machen?« So hatte Epher auf den Ruinen der alten Stadt eine neue gebaut, und sie hatte geblüht und mit ihr das umliegende
Land. Als dann viel später die von Mose geeinten Hebräer über den Jordan gekommen waren, hatten sie an vielen Stellen Kanaans Niederlassungen gefunden, die, wie Makor, vorbereitet waren für die Annahme Jahwes.
Aber die Abgeschiedenheit Jahwes, seine streng eingehaltene Unsichtbarkeit machten es unvermeidlich, daß viele Hebräer an niedrigeren Gottheiten festhielten, weil sie ihnen die Wärme der unmittelbaren Begegnung schenkten, die Jahwe nicht mehr gab. Deshalb blühte auch der Baalskult noch im größten Teil von König Davids Reich, deshalb wurde Astarte noch immer vielenorts verehrt, und selbst Feuergottheiten, die Kinder zum Fraß forderten, erwachten zu neuem Leben. Überhaupt war es, als stehe im ganzen Land unter jedem grünen Baum ein Altar. Während Wiedehopf und der Moabiter über diese Dinge sprachen, sahen sie im Mondschein zwei Hebräerfrauen den Berg heraufsteigen. Sie kamen, Baal zu verehren, und sahen die beiden Männer nicht, die etwas abseits saßen, denn sie waren ganz mit ihren häuslichen Sorgen beschäftigt, die nur Baal ihnen abnehmen konnte. Atemlos erreichten sie den Gipfel und warfen sich vor dem Monolithen nieder. Wiedehopf hörte die eine in abgerissenen Sätzen beten: »Baal. laß meinen Mann Jerubbaal sicher vom Meer heimkehren. Laß die Phönizier ihm nichts Böses antun. beschütz ihn in Akcho. Großer Baal. bring meinen Mann sicher zurück.«
Nach ihrem
Weitere Kostenlose Bücher