Die Quelle
gesinnten Gott benannte. Gewiß - dann und wann hatten führende Köpfe der Hebräer von Makor darüber gesprochen, wie man den kanaanitischen Gott abschaffen könne, aber unter dem Druck des Volkes war Baal unangetastet geblieben. König David in Jerusalem allerdings hatte neue Weisungen gegeben: Jetzt sei es an der Zeit, die Baalsverehrung zu verbieten. Die Statthalter der neueroberten nördlichen Gebiete mit ihren großen kanaanitischen Minderheiten hatten jedoch, wie vorher, so auch jetzt, vor überstürzten Maßnahmen gewarnt, die man später bereuen müsse. So war in Makor noch der Kult der alten Gottheit lebendig geblieben, und viele Bürger und Bauern stiegen regelmäßig auf den Berg, um von dem Gott, der ihnen so vertraut war, Hilfe zu erbitten - von dem Gott, der ihnen von jeher den Reichtum ihrer Felder gesichert hatte. Der Moabiter Meschab kniete vor der Steinsäule nieder und sprach die Gebete, die er in der südlichen Wüste gelernt hatte. Dann erhob er sich, bereit, in das stinkende Sklavenlager zurückzukehren, in das Baal ihn für eine Zeitlang geführt hatte. Aber da fragte ihn Wiedehopf: »Warum bist du nicht so vernünftig, warum nimmst du nicht Jahwe an und wirst ein freier Mann?«
Meschab gab ihm eine Antwort, die den ganzen Wesensunterschied zwischen ihm und Wiedehopf deutlich zeigte: »Ich lebe und sterbe mit Baal«, sagte er ruhig. Es war die gleiche unnachgiebige Antwort, die er König David entgegengeschleudert hatte, nachdem er in Moab gefangengenommen worden war - die Antwort, die verhindert hatte, daß Meschab jetzt ein Feldherr der Hebräer war. »Warte«, sagte Wiedehopf und zog den hochgewachsenen Sklaven auf einen Felsen, von dem aus sie Akcho und Makor im Mondlicht liegen sehen konnten. »Meine Vorfahren waren wie du. Sie haben den Gott der Hebräer verachtet, jahrhundertelang waren wir unvernünftig und verehrten Baal. Aber langsam haben wir erkannt, daß die Hebräer.«
»Seid Ihr kein Hebräer?«
»Jetzt bin ich einer. Aber vor noch nicht so langer Zeit waren wir Kanaaniter.«
»Wie konnte das möglich sein?« Meschab und seine Sippe wären eher in den Tod oder in die Sklaverei gegangen, als daß sie ihren Gott aufgegeben hätten. »Wir haben in Makor Seite an Seite mit den Hebräern in guter Freundschaft gelebt«, erklärte ihm Wiedehopf. »Einer meiner Vorväter, Zibeon, mußte noch vor geben, ein Hebräer zu sein, und ein- oder zweimal hatte er Schwierigkeiten. Aber schließlich haben die Hebräer festgestellt, daß sie Baal brauchten, und wir haben erkannt, daß wir Jahwe brauchten. Und seitdem geht es uns allen gut.«
»Wie konnten die Kanaaniter ihren Gott verleugnen?« fragte Meschab mißtrauisch.
Wiedehopf sah auf die ummauerte Stadt seiner Vorfahren hinab, den Kampfplatz, zweier so großer Götter. Es war schwierig zu erklären, wie Jahwe zu seiner Macht über die Kanaaniter gekommen war, die nach der Wahrheit gesucht hatten. »Ich kann dir erzählen, was ich als Knabe von den Alten gehört habe, Meschab. Unser Volk lebte in der Stadt mit Baal. Da kamen die Hebräer auf Eseln aus der Wüste und brachten ihren Gott El-Schaddai mit sich. Sie schlugen vor den Mauern ihr Lager auf, und zwischen den beiden Göttern begann ein harter Kampf um den Besitz des Berggipfels. Baal siegte, wie nicht anders zu erwarten. Aber El-Schaddai verbrannte aus Rache die Stadt und gab den Hebräern die Trümmer. Viele Jahre lang herrschte El-Schaddai in den Tälern, und Baal herrschte hier oben. Jahrhunderte vergingen, bis es zu einer Verständigung kam: Die Kanaaniter nahmen den neuen Gott Jahwe an und die Hebräer den alten Gott Baal. Seither haben wir uns immer gut vertragen.«
»Ihr nennt Jahwe einen neuen Gott?«
»Ja. Eine andere Gruppe Hebräer war nach Ägypten gezogen, wo man sie schlecht behandelt hat. Aber der Gott, den sie mit sich gebracht hatten, wurde zu einem sehr mächtigen Gott und züchtigte die Feinde der Hebräer mit vielerlei Schrecken. Dieser neue Gott, Jahwe, ließ den Mann Mose erstehen, der die Hebräer aus Ägypten führte und mit ihnen vierzig Jahre durch die Wüste zog. Dort wurde Jahwe immer mächtiger. mächtig wie kein Gott zuvor. Und unter Jahwe und Mose wurden auch die Hebräer zu einer großen Macht.«
»Wir haben Mose gekannt«, unterbrach ihn der Moabiter. »Er wollte in unser Land eindringen, aber wir haben ihn vertrieben.«
»Wir Kanaaniter konnten das nicht«, sagte Wiedehopf. »Deshalb herrscht Jahwe jetzt über uns alle.«
Die Sage, die
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