Die Quelle
Jerusalem geladen. Am Abend vor der Verhandlung, die nur mit einem Todesurteil für ihn enden konnte, fragte er mich, ob ich mich dem Gesetz ebenso mutig stellen würde wie dem Gegner auf dem Schlachtfeld. Ich sagte: »Ja.« Als dann die strengen Richter, langbärtige Mitglieder des Hohen Rates, zusammentraten zur Urteilsfindung, marschierte ich mit meinen Söldnern auf und ließ das Gericht wissen, daß ich entschlossen sei, jeden umbringen zu lassen, der gegen meinen Feldherrn stimmte. In Panikstimmung vertagte sich das Gericht
- Herodes kam frei.
Das zweite Mal half ich ihm, als die Juden, noch immer in der Hoffnung, ihm die Krone verweigern zu können, bei Marcus Antonius Stimmung gegen ihn zu machen versuchten. Antonius war des ermordeten Caesar Nachfolger im Bett der
Ptolemäerkönigin Kleopatra geworden, unserer Nachbarin im Süden. Ich reiste nach Ägypten und sprach im Namen des Herodes mit Antonius, zu dessen Herrschaftsgebiet auch unser Land gehörte (denn seit rund zwanzig Jahren übte Rom das Protektorat und damit die Oberherrschaft über Judaea aus). Und zum Teil auf meine Darlegungen hin geschah es, daß Antonius den Herodes als seinen Regenten über die Juden anerkannte. So kam der rotbackige Sohn des Idumäers an die höchste Macht. Ich muß zugeben, daß er meinen ihm während seiner beiden ersten Verlegenheiten geleisteten Beistand nicht vergaß. Er nannte mich Timon Myrmex, denn wenn wir miteinander sprachen, bedienten wir uns des Griechischen. Und als er von meiner Vorliebe für das Bauen erfuhr, sandte er mich von einer Stadt zur anderen. Das Schönste aber kam, als er mich mit der Planung und dem Bau von Caesarea betraute -Caesarea, das nur eine öde Sanddünne hinter der kleinen Siedlung Stratons-Turm gewesen war. Dort entwarfen wir eine der großartigsten Städte der Welt. »Das ist mein Timon Myrmex«, stellte er mich seinen Truppenführern vor, »meine fleißige Ameise. Er wird die Stadt bauen.« Und immer hat er mir alle Mittel zur Verfügung gestellt. Als ich ihn warnte, der Bau von Caesarea werde zehn Jahre lang das Steueraufkommen seines Reiches verschlingen, sagte er nur, das sei doch wohl seine Sorge. Und als ich später berechnete, daß der Wiederaufbau des Tempels in Jerusalem nach seinen Vorstellungen die gleiche Summe kosten werde, erklärte er mir, ich solle loslegen. Wenn ich heute abend unter den Hieben seiner Söldner sterbe und ein Judaea hinterlasse, das schöner ist als je zuvor, so kommt es nicht daher, daß ich ein Meister meines Faches bin, denn in Antiochia und Jericho hat es Tüchtigere gegeben als mich. Judaea ist deswegen so prächtig geworden, weil König Herodes einen untrüglichen Sinn für Schönheit besaß.
Es gibt viele - ich habe genug in Athen und Rom kennengelernt -, die sich über die Juden lustig machen und behaupten, sie hätten keinen Schönheitssinn. Sie deuten auf die häßlichen Synagogen der Juden und vergleichen sie mit kostbar geschmückten Tempeln wie dem, der mich zur Zeit beherbergt. Sie vergleichen den nüchternen Gottesdienst der Juden mit den großartigen Riten unserer Jupiterpriester. Sie fragen nach jüdischer Bildhauerei und Architektur. Oder nach klangvollen Liedern, wie man sie selbst in einem Seehafen wie Ptolemais zu hören bekommt, wenn die griechischen Schiffe anlegen. So ist man weithin der Ansicht, daß die Juden nichts von Schönheit verstehen. Doch eine Weile hatten die Juden einen König, der wußte, was schön ist. Meine Frau haßt ihn als Nichtjuden und will mein Lob nicht gelten lassen. Wenn ich die Dinge richtig sehe, war er Halbjude, aber er leitete das Volk an, sein Land zu verschönern, wie meines Wissens kein anderes verschönert worden ist.
Ich erinnere mich, wie ich mit dem Bauen begann - es war in Jericho, lange bevor auch nur ein Mensch von Caesarea träumte - und wie wir den Sklaven beim Aufrichten mächtiger Granitblöcke für eine Mauer zusahen. Herodes nahm einen Meißel und zeigte uns, was er wenige Tage zuvor als Idee geäußert hatte. »Wenn man bei jedem Stein einiges an den Kanten gleichmäßig tief und breit wegnimmt, damit die Fläche erhaben wird, etwa so.« Er ließ die Steinmetzen nach seinen Angaben den Block behauen. Dann mußten die Sklaven den Stein im Sonnenlicht hin- und herwenden. Es gab ein faszinierendes Spiel von Licht und Schatten auf dem bearbeiteten Stein. Ich verstand, was er sich vorgestellt hatte; wir bauten die Mauer nach seinem Vorschlag. Als sie fertig war, bot sie im vielfach
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