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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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vorüberzog, und immer war ich von neuem entzückt von meiner Begleiterin, die dieses Boot mit mir teilte. Schulamit ist wie eine lebendig gewordene
    Marmorsäule, und wenn wir am heutigen Tage sterben, werden meine acht vollkommenen Säulen ihr Denkmal sein, denn ihr Geist wohnt schon jetzt in ihnen. Wenn ich in die südwestliche Ecke meines Gefängnisses gehe, so kann ich die Straße hinab auf eine meiner glücklichsten Schöpfungen sehen. In meiner Jugend habe ich oft im Gymnasion gespielt, das damals trostlos verfallen dalag. Wie gern bin ich auf den rissigen, abbröckelnden Mauern entlanggelaufen und habe mir vorgestellt, ich sei ein Athlet bei der Olympiade. Am niedergebrochenen Toreingang standen zwei Statuen, die ich schon liebte, bevor ich die Wunder griechischer Bildhauerei richtig zu würdigen gelernt habe. Zu meiner Linken stand dort Herkules als Ringer, zur Rechten der leichtfüßige Hermes als Läufer. Und in den zerfallenden Hallen stand die Statue, die mich am meisten beeindruckte, durch ihre riesenhafte Größte sowohl wie durch ihre Häßlichkeit. Es war Zeus - unser Jupiter - als Diskuswerfer, aber die gläubigen Juden haben uns erzählt, in Wirklichkeit sei es Antiochos Epiphanes, der Wohltäter, den sie, die Juden, vor mehr als anderthalb Jahrhunderten aus dem Land vertrieben hätten. Damals freilich glaubten wir nichts von der Geschichte.
    Ich nahm mir die Trümmerstätte des Gymnasions vor und schuf aus ihr etwas sehr Schönes. Für mich bedeutete diese Arbeit einen Akt der Liebe. Unter den vielen Tempeln und Stadien, die ich gebaut habe, bildet das Gymnasion keineswegs etwas besonders Auffallendes, aber es machte mir fast so viel Freude wie die Augusteana oder der kleine Tempel, in dem ich nun ausruhe. Denn als es fertig war, ganz in weißem Marmor, wurde es zum Mittelpunkt von Makor, und jedesmal, bevor der König im Hafen von Ptolemais zu einer Reise über See an Bord ging, wohnte er bei mir und hielt sich viele Stunden in den marmornen Bädern auf. Hier hat er mir einmal erzählt, daß er einige der glücklichsten Stunden seines Lebens in Makor verbracht habe, der ersten von ihm eroberten Stadt und der Ausgangsstellung, von wo er Galilaea und später ganz Judaea unter seine Herrschaft gebracht hat.
    Da der König sich in Makor wohlfühlte, gab er mir freie Hand beim Wiederaufbau meiner kleinen Stadt: Das Haupttor wurde wieder errichtet, wobei ich die doppelt gewinkelte Führung des Zugangs zwischen den Wehrtürmen beibehielt. Und wo immer es nötig war, wurden die Mauern, die wohl noch aus der Zeit König Davids stammten, neu aufgeführt oder verstärkt, so daß die Stadt wie ein kostbares Juwel in einer kräftigen Steinfassung daliegt. Die Straßen sind sauber und gerade, die alten Häuser wurden abgerissen und an ihrer Stelle neue aus weißem Kalkstein errichtet. Auch Schacht und Stollen der alten Wasserversorgung ließ ich ausbessern, neue Granitstufen im Schacht anbringen und um den Quellbrunnen selbst Marmorbänke aufstellen.
    Unter der Pax Romana, dem Frieden, der unserem Königreich zugute kam, blühte auch die Umgebung unserer Stadt auf. Die Straße nach Ptolemais wurde begradigt und mit Steinen gepflastert, so daß sie bequem und schnell zu befahren ist. Die alte Olivenpresse auf dem Grundbesitz meiner Familie ließ ich durch eine leistungsfähigere ersetzen von der Art, wie sie in Süditalien erfunden worden ist. Meine Felder wurden mit Steinmäuerchen eingefaßt, um so die Grenze genau zu markieren. In unseren Ländereien herrscht Ordnung und Sauberkeit, die ich noch zu verbessern suchte, so oft ich von meiner Tätigkeit in entfernten Städten zurückkehrte. Innerhalb der Stadtmauern findet sich ein Überfluß an Gütern aus allen Teilen der Welt: Persien und Indien sind uns so nah wie Britannien und Gallien; Karawanen erreichen uns aus allen Richtungen, und in Ptolemais landen Schiffe aus allen Seehäfen des Imperium Romanum und selbst von der Westküste. Afrikas. Alte Juden haben mir erzählt, daß Makor jetzt so groß ist wie in alten Zeiten. Tausend Menschen wohnen innerhalb der Mauern, und sechshundert führen außerhalb ihr friedliches Leben. Ich habe alle Flüsse des Ostens gesehen. Ich bin in alle Häfen eingefahren. Ich habe in Rom und Athen und Alexandria gearbeitet.
    Meine Frau wird wach. Ich gehe an ihr Lager und kitzle sie mit meinem Finger an der Nase, so daß ich es bin, den sie an diesem letzten Tag zuerst sieht. Sie dreht sich auf ihrem Kissen um und lächelt,

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