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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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ihnen aus ihrer Weigerung Schwierigkeiten entstanden. In unserer Stadt leben Römer und Juden nebeneinander wie in unserem Königreich - in einer Art Waffenstillstand, wobei jeder an seinem eigenen Glauben festhält, wie auch meine Frau und ich es tun: Sie liebt Jerusalem und betet zum Gott der Juden und ist niemals glücklicher, als wenn ich irgendeinen besonderen Bauauftrag im Tempel der Hauptstadt zu erledigen habe. Ich als Römischer Bürger halte mich meist an Caesarea und die Verehrung des Caesar Augustus, und es will mir scheinen, als hätten wir Römer das bessere Teil erwählt. Denn es gibt im ganzen Imperium Romanum keine bezauberndere Stadt als Caesarea, diese herrliche Stadt, die wir in weißem Marmor und mit dem Schweiß der Sklaven erbaut haben.
    Zwischen meinem Gefängnis und der Augusteana steht das, was ganz und gar mein eigenes Werk ist: eine doppelte Reihe von Marmorsäulen, hoch, mit schwerer Basis und sehr schönen korinthischen Kapitellen, die nichts zu tragen haben. Denn diese Säulen sind von mir lediglich dazu errichtet worden, dem Forum noch mehr Anmut zu verleihen und zugleich die verschiedenen Gebäude miteinander zu verbinden. Wenn ich sie jetzt betrachte, denke ich, mein Leben sei eine Reihe von Säulen gewesen, die dahinwandern wie die Tage, und nie habe ich genug von ihnen gehabt, von den Säulen nicht und nicht von den Tagen. Wie viele Marmorsäulen haben wir in Caesarea gehabt? Fünftausend? Zehntausend? Die ganze Schönheit dieser Stadt ist durch sie zur Einheit geworden. Schiff nach Schiff kamen sie von Italien zu uns herüber. Eines Abends, als der König und ich durch Caesarea gingen, sagte er auf griechisch zu mir: »Timon, du hast das hier zu einem Säulenwald gemacht. Ich werde noch tausend weitere Säulen kommen lassen; mit ihnen wollen wir den weiten Platz vor dem Theater schmücken.« In Antiochia, in Ptolemais, in Jericho: Wie viele Säulen habe ich überall errichtet - diese schweigend Marschierenden, die den Straßen, auf denen sie gehen, so viel Anmut verleihen?
    Unser Forum hat nur acht Säulen in zwei Reihen zwischen Jupitertempel und Palast; aber diese acht stehen für die Tausende, die wir in anderen Städten errichtet haben, denn ohne Wissen des Königs habe ich aus hundert Schiffsladungen die schönsten für Makor ausgesucht: Diese hier neben dem Venustempel ist kanneliert, und die beiden an der Augusteana sind purpurfarben. Wer freilich streng auf Stil hält - einer von der Art des Griechen etwa, der den ersten Tempel erbaut hat -, wird angesichts des von mir entworfenen Gemischs sehr wahrscheinlich einen Schreck bekommen und nach einer einzigen reinen, sich siebenmal wiederholenden Form suchen.
    Ich selbst brauchte diese Summa meines Lebens, wie schön sind sie in ihrer Verschiedenartigkeit, wie vollkommen in ihren Proportionen! Aus dreitausend Säulen habe ich sie mir ausgesucht, und wenn ich noch dreitausend mehr zur Auswahl gehabt hätte, so wäre es doch nicht möglich gewesen, etwas Besseres zu finden. So werdet ihr hier stehen, ihr meine strahlend schönen Säulen, die ihr nichts auf euren Häuptern tragt. Ich aber muß heute sterben.
    Was für einen Unterschied macht es denn, ob die Boten von Jericho heute kommen oder erst in sechs Tagen? Ich bin vierundsechzig, noch so schlank wie damals, als ich an der Seite des Königs focht. Meine Haare sind weiß geworden, aber ich habe noch alle Zähne. Ich habe noch die Legionen des Julius Caesar gesehen und Kleopatra neun Tage lang begleitet. Ich kannte den Ruhm Antiochias aus nächster Nähe, und ich habe hart gearbeitet. Mehr vom Glück begünstigt als die meisten und weit häufiger mit einem Lächeln bedacht als der König, fand ich schon früh die Frau, die zu lieben mir bestimmt war, und obschon es Zeiten gab, in denen ich mein Vergnügen bei den Sklavinnen von Jericho oder den jungen Eunuchen von Caesarea fand, bin ich doch immer wieder zu Schulamit zurückgekehrt. Wieviel Glück hatte ich doch! Jetzt liegt sie dort drüben auf einer Pritsche und teilt das Gefängnis mit mir. Selbst mit ihrem nun auch weißen Haar ist sie für mich immer noch so anziehend wie an dem Tag, als ich sie zuerst am Arm des Königs sah. Er, dieser arme Kerl, hat zehn Frauen gehabt, und er hat sie mit der Zeit alle gehaßt, während ich mit Schulamit dahingetrieben bin wie in einem kleinen Boot auf einem Fluß. Immer ging es in Richtung auf das Meer des Versinkens, aber immer fand ich neue Freude an der Landschaft, die am Ufer

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