Die Quelle
Aristobulos eine Verschwörung gegen mich angezettelt hat.« Ich wich erschreckt einen Schritt zurück, denn Mariamnes Bruder war erst siebzehn Jahre alt und der Liebling der Juden, weil sie von ihm erhofften, daß er den Makkabäern die Herrschaft zurückgewinnen könne.
»Eine Verschwörung! Er will mich vom Thron stoßen! Er muß sterben!« flüsterte Herodes heiser. Als ich ihm warnend sagte, Aristobulos sei doch der Bruder der Königin, schrie er plötzlich in wahnsinniger Wut: »Nenne ihre Namen nicht in einem Atem. Mariamne ist eine Göttin. Ihr Bruder ist eine
Natter.« Und dann fügte er vielsagend hinzu: »Heute nachmittag geht er schwimmen.« Er rief den Hauptmann seiner Leibwache aus kilikischen Söldnern herein, und der erklärte mir, was Herodes vorhatte: »Myrmex, der Prinz traut dir. Wenn er in das Becken steigt, gehst du ihm entgegen und umarmst ihn. Aber dabei hältst du seine Arme fest. Meine Leute schwimmen unter Wasser und packen ihn an den Füßen.«
Herodes gab ein Fest. Es war ein schönes Fest. Und es war ein schönes Becken. Ich selbst habe es mit Marmor auskleiden lassen. Ich stand im Becken, als Aristobulos erschien. Im hellen Licht der Sonne schritt er daher, anzusehen wie ein römischer Gott. »Sei gegrüßt, Timon«, rief er, während er die Marmorstufen herabkam. Ich watete zu ihm hin und nahm ihn in meine Arme wie zu herzlicher Begrüßung. Ich konnte sein Zittern spüren, als die Kilikier plötzlich seine Füße packten. Ich sehe noch seinen entsetzten Blick - seine Augen waren nicht weiter als eine Handbreit von meinen entfernt. Aber ich biß die Zähne zusammen und schob meine Hände an ihm hoch, bis sie seinen Hals umklammerten. So zogen wir ihn in die Tiefe.
Ich hatte den Mord an Aristobulos fast vergessen - Dynastien müssen sich schützen, und der junge Makkabäer war beim Pöbel zu beliebt gewesen -, als Herodes wieder zu mir kam, den steilen Pfad nach Masada herauf, wo ich aus Trümmern ein im ganzen Orient einzigartiges befestigtes Schloß schuf. Dort flüsterte er wieder, während wir aus der Höhe wie Adler hinabblickten auf das Tote Meer und die Berge von Moab: »Myrmex, wie bringe ich es fertig?« Er schien mir völlig verwirrt, fast von Sinnen. Als er zu stöhnen begann wie ein Behexter, schickte ich meine Mitarbeiter fort. Während sie einer nach dem andern den Weg durch die Felsen hinabstiegen, fragte ich ihn, was er denn fertigbringen müsse und was ihn so errege.
»Ich muß Mariamne töten«, sagte er und starrte mich an wie einer jener fanatischen Essener aus der Wüste.
»Nein, nein«, schrie ich. Er aber redete auf mich ein, ohne sich unterbrechen zu lassen, und immer neue angebliche Beweise der Schuld brachte er gegen seine unschuldige Frau vor. Er hatte tatsächlich die Absicht, sie zu töten, denn auch sie wolle ihm Thron und Leben nehmen. Ich konnte das alles nicht mehr hören und sagte schroff: »Geh! Rede mir nicht solchen Wahnsinn vor!« In äußerstem Mißtrauen wich er vor mir zurück, das Schwert in der Faust, denn wir waren allein am Rande der Klippe, und schrie: »Du bist auch mit ihr im Bund. Augustus, hilf mir! Myrmex will mich ermorden.« Ich versetzte dem offenbar wahnsinnig gewordenen König einen kräftigen Schlag, um ihn wieder zu sich zu bringen, und führte ihn dann langsam von der Klippe hinab. »Wenn du mir nicht mehr trauen kannst, Herodes«, sagte ich, »dann stürzt deine Welt wirklich zusammen.« Als wir endlich auf sicherem Grund standen, sagte ich: »Und nun erzähl mir von deinen Hirngespinsten.«
Ich begleitete ihn nach Jericho. Auf dem ganzen Weg redete er nur von ihrer Schuld. Er habe unumstößliche Beweise. Drei Tage lang wütete er, ohne den Mut zu finden, sie zu töten. Und dann schickte er seine Söldner in Mariamnes Gemach - einen solchen Befehl hatten sie noch nie bekommen. Sie erstachen die Königin. Herodes aber liebte die unschuldig Ermordete mehr als je zu ihren Lebzeiten. Er raste durch Hallen und Gänge und flehte die Rachegeister, die ihn verfolgten, um Barmherzigkeit an. Zuweilen kam er zu mir. Mit starrem Blick saß er dann vor Schulamit, brach in wildes Weinen aus und brüllte: »Ich habe die beste Frau der Welt umgebracht. Ich bin verflucht.« Aber das hinderte ihn nicht, danach noch eine ganze Reihe anderer Frauen zu heiraten. Er hat viele Kinder von ihnen. Vielleicht haben sie jetzt schon sein Erbe angetreten. Wenn er zwischen seinen Sklavinnen umherrannte, deutete er bald auf dieses, bald auf jenes
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