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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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hatten wir uns auf die Seite des Antonius gestellt, weil wir Ägypten benachbart waren und Kleopatras Macht kannten. Aber Antonius verlor die Schlacht bei Actium. Schon liefen Gerüchte um (und es waren nicht nur Gerüchte), Octavian wolle ein Heer gegen Herodes in Marsch setzen, ihn entthronen und in Rom hinrichten lassen. »Ich fahre morgen früh nach Rhodos«, teilte Herodes uns mit. »Timon Myrmex soll mitkommen. Ich werde mich Octavian zu Füßen werfen und ihn um Gnade anflehen, wie noch kein Mann gefleht hat.«
    In jener Nacht beteten wir im griechischen Tempel dort drüben, dann begaben wir uns nach Ptolemais und bestiegen das kleine Schiff, das uns nach Rhodos brachte. Dort ging Herodes mit ein paar von uns in seiner Begleitung zu Octavian, dem einzigen Erben des Julius Caesar, zu dem Mann, der Antonius und Kleopatra zum Selbstmord getrieben hatte. In wenigen schicksalsschweren Sätzen, die bestimmend wurden für die Geschichte Judaeas auf viele Generationen hin, sagte Herodes mannhaft: »Es war Antonius, der mich auf den Thron gesetzt hat. Ich gebe freimütig zu, daß ich ihm jeden erdenklichen Dienst erwiesen habe. Nicht einmal nach seiner Niederlage bei Actium habe ich ihn verlassen, denn er war mein Wohltäter. Ich habe ihm den besten Rat gegeben, den ich wußte, als ich ihm sagte, daß es nur einen Weg gebe, sein Unheil zu wenden: Kleopatra zu töten. Wenn er nur diese Frau aus dem Wege schaffe, sei ich bereit, ihm mit meinem Geld, meinen Befestigungen, meinem Heer jede tätige Hilfe zu leisten im Krieg gegen dich, Octavian. Aber es kam anders. Seine Ohren waren taub - taub wegen seiner wahnwitzigen Leidenschaft für Kleopatra. Mit Antonius bin nun auch ich besiegt. Jetzt, da er nicht mehr ist, lege ich meine Krone ab. Sie gehört dir, Octavian, nicht mir. Ich komme zu dir und setze alle meine Hoffnung darein, daß du erkennst, was für ein Mensch ich bin, ein Mensch von makellosem Wesen. Und ich weiß, daß du mich nicht fragen wirst, wes Freund ich war, sondern was für ein Freund ich zu sein vermag.«
    Octavian, den wir jetzt als Caesar Augustus verehren, sah mit Staunen zu, wie Herodes sich niederwarf, ungekrönt und ohne jedes Zeichen seiner Würde. Einer Eingebung des Augenblicks gehorchend, ließ der Sieger ihn sich erheben und sagte: »Es war sehr gut für mich, daß Antonius auf Kleopatras Rat gehört hat und nicht auf deinen. Durch seine Torheit habe ich deine Freundschaft gewonnen. Hinfort sollst du mein König der Juden sein.« So gewann Herodes durch eine Tapferkeit, wie ich sie in meinem Leben nicht wieder erlebt habe, seinen Thron zurück von einem Feind, der ihn eigentlich hinrichten lassen wollte.
    Caesar Augustus hatte klug gehandelt. Denn Herodes erwies sich als einer der großen Könige im weiten Kreis der römischen Provinzen. Ich habe für die Legaten in Antiochia und Hispanien gearbeitet. Weder in der Wesensart noch in der Tatkraft waren sie mit unserem König Herodes zu vergleichen. Er hat in seinem Teil des Imperiums den Frieden erhalten, während er zugleich die alten Grenzen Judaeas wiederhergestellt hatte. Dem Königreich der Juden, das unter den letzten Makkabäern von Kriegen und Wirren heimgesucht war, hat er Ruhe gebracht und ihm zur Anerkennung verholfen. Unter seiner Herrschaft hat unser Land nicht unter Räubern und Aufrührern gelitten. Vor ein paar Jahren noch, als ich, von Hispanien kommend, meine Reise in Rom unterbrach, hat Augustus selbst zu mir gesagt: »Ich erinnere mich gut an den Tag, an dem du mit Herodes nach Rhodos gekommen bist. Er ist damals sehr kühn gewesen, aber ich wünschte, ich hätte alle meine Könige so klug gewählt.«
    Wieso ist Herodes dann aber trotz all dieser Erfolge so tief gesunken? Wurde er von einem bösen Geist gehetzt, der darauf aus war, seine Größe zugrunde zu richten? Oder haben Haß und Argwohn der Juden allmählich seinen Geist verwirrt? Manche sagen, eine Schlange sei in seinen Leib eingedrungen und nage an seinen Eingeweiden. Schulamit aber und die Juden behaupten, ihr Gott habe ihn verflucht, weil er sich den Thron Davids widerrechtlich angeeignet hat. Ich habe da meine eigene Ansicht.
    Ich hätte voraussehen müssen, daß all das geschah, was geschehen ist. Ich hätte es voraussehen müssen. Vor einunddreißig Jahren kam er eines Tages zu mir. Ich baute gerade in Jericho einen Tempel. Er warf sich auf mein Lager und flüsterte mit angstverzerrtem Gesicht: »Myrmex! Du mußt jemanden töten! Ich habe Beweise, daß

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