Die Quelle
und dabei denke ich an das, was mir einst ein Philosoph in Jericho gesagt hat: »Ein Mann ist niemals alt, wenn seine Gefühle sich noch von einer Frau seines Alters erregen lassen.« Wenn er recht hatte, so werde ich als junger Mann sterben. Ich liebe Schulamit. Sie lächelt, sagt mit einer gewissen Heiterkeit: »Ich möchte keinen Augenblick
versäumen« und stellt ihre Füße auf den Marmorboden.
»Sie stehen auf«, rufen die Wächter draußen einander zu. Man wird es den Beamten der Stadt melden.
»Heute?« fragt Schulamit. Ich antworte ihr, während sie sich in dem Alabasterbecken wäscht, das ich in Antiochia entworfen habe, meiner Meinung nach müsse der König jetzt bestimmt tot sein - viel länger könne er nicht gelebt haben, ganz unmöglich. Vor Ende dieses Tages werden also Boten die Nachricht bringen. Und dann kommen die Söldner über uns, mit gezücktem Schwert.
Einmal in meinem Leben habe ich mitansehen müssen, wie der König seine Krieger auf Gefangene hetzte. Es war ein beliebtes Verfahren des Herrschers, seine Gegner auf engem Raum unbewaffnet zusammenzusperren und dann die Söldner in voller Rüstung und mit gezogenem Kurzschwert brüllend auf sie loszulassen. Warum sie ihm gehorchten, habe ich nie begreifen können, denn es war gräßlich, dieses Hinschlachten, und es muß für die Schlächter doch nicht minder abscheulich gewesen sein. Aber nie widersetzten sich die Söldner dem
Befehl. Willenlos metzelten sie die ihnen Ausgelieferten nieder, bis die Rüstung rot von Blut war. Und das Scheußlichste: Fast nie töteten sie die Opfer mit einem einzigen Hieb oder Stich. Immer wurden sie in Stücke gehackt, erst die Ohren abgeschlagen, die Beine an den Knöcheln abgehauen, bis der Anblick des Blutbads über meine Kräfte ging. Der König aber stand jedesmal bis zuletzt dabei und sah zu und leckte sich mit seiner grauweißen Zunge die Lippen, seine fetten Hände verkrampften und lösten sich in wilder Erregung, während er schrie: »Schlagt sie tot, schlagt sie alle tot, denn sie haben sich mir widersetzt.«
Das erste Mal bin ich Herodes vor fünfundvierzig Jahren am Haupttor von Makor begegnet. Damals war er fünfundzwanzig Jahre alt und ich neunzehn. Er machte Eindruck, dieser kühne Sohn jenes idumäischen Ränkeschmieds, der mit immer neuen Schlichen daran arbeitete, das Königreich der Juden den rechtmäßigen Erben des Juda Makkabi zu entwinden. Uns schien es damals unmöglich, daß ein Nichtjude den Thron erobern könne; damals noch zu jung, als daß wir verstanden, was gespielt wurde, unterstellten wir uns dem Herodes nicht etwa, weil wir uns Rang und Würde erhofften, falls er König würde, sondern scharten uns um ihn, glaube ich, weil er gut aussah und uns zu überzeugen vermochte. In jenen Tagen nämlich gab es Räuberbanden in Galilaea, die sich selbst als Freiheitskämpfer bezeichneten. Mit ihnen sollte aufgeräumt werden. Herodes erklärte uns: »Wenn wir unablässig
angreifen, können wir sie schlagen. Ihr werdet euren Frieden haben, und ich« - er stockte, dann setzte er hinzu - »meinen Lohn.« An mehreren Stellen in der Nähe von Makor konnten wir jeweils eine große Zahl Räuber einkesseln. Nicht einmal Rom war es gelungen, sie zu bezwingen; Herodes jedoch brachte ihnen das Fürchten bei. An zwei Massenhinrichtungen habe ich teilgenommen. Mit dem Kurzschwert stürzte ich mich auf die entwaffneten Gefangenen und half sie in Stücke hauen. Wie viele haben wir bei jenen frühen Feldzügen niedergemacht? Tausend? Viertausend? Ich stach und hieb, bis mein Arm schwer war Wie Blei“. Die Rädelsführer verbrannten wir bei lebendigem Leib, andere kreuzigten wir. Herodes, der skrupellos seinen Weg ging, um auf den Thron Judaeas zu gelangen, begann damit, daß er Tausende und Abertausende von Juden umbrachte.
Herodes machte mich zu seinem Vertrauten, weil ich ihm viermal in gefährlichen Augenblicken beisprang - als andere Furcht hatten, es zu tun. Es kam dazu in jenen frühen Jahren. Die Juden lehnten sich gegen ihn und seine Grausamkeiten auf. Zweimal hintereinander sah es so aus, als sei er verloren. In Jerusalem erhoben die Ältesten der Juden Anklage wegen seiner Massenmorde in Galilaea. Er habe, so sagten sie (und sie hatten recht), keinerlei Befugnis, gehabt, auch nur einen einzigen Juden ohne Gerichtsverfahren und Urteil hinrichten zu lassen, und deshalb aufs schwerste gegen das jüdische Gesetz verstoßen. So wurde er nun selbst vor das Oberste Gericht in
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