Die Quelle
viele Offiziere verdammen Euren Plan in Grund und Boden.«
»Wer wagt das?« schrie Herodes. Und in seiner unsagbaren Dummheit leierte der Alte ihre Namen herunter.
Nachdem dies geschehen war, hatte ich keine Möglichkeit mehr, den König zurückzuhalten. Er ließ seine Leibwache alle Genannten verhaften. Der alte Söldner aber wurde gefoltert, bis ihm die Gelenke rissen und die Knochen brachen. Der Veteran gestand völlig unsinnige Dinge, die Herodes gierig aufgriff. Er ließ den Pöbel zusammentrommeln und die beschuldigten Offiziere vorführen. In einer wilden Rede, einem irren Gemisch von Wut und Wollust, schrie er Worte von Verschwörung und Schuld. »Euer Königreich ist bedroht«, raste er, und schließlich brüllte er, Schaum vor dem Mund: »Und hier sind die Schuldigen. Erschlagt sie!« Der Mob stürzte sich mit Knüppeln auf die Opfer. An diesem Tag wurden Dutzende, die sich keiner Schuld bewußt waren, zu Tode geprügelt, während der König wie ein Besessener auf und ab tanzte: »Tötet. tötet. tötet!« Wie viele Juden hat
Herodes in den Jahren seines Wahnsinns erschlagen lassen? Wie viele Säulen hat er in den Jahren seiner Größe errichten lassen? Ich kann es nicht sagen. Ich, der ich bei einigen der schlimmsten Metzeleien anwesend sein mußte, bin mit eigenen Augen Zeuge gewesen, wie sechs- oder achttausend der Besten des Reiches umgebracht wurden - aus sinnlosem Anlaß oft: Eine Frau hatte sich, während die Sklavinnen ihr das Haar lockten, abfällig über die Massenhinrichtungen geäußert. Eine Sklavin verriet ihre Herrin; die Frau kam auf die Folterbank. Sechzig Namen schrie sie unter den Qualen der Tortur heraus -aber niemand wußte, wessen die Genannten schuldig sein sollten. Die Sechzig wurden ebenfalls gefoltert und gaben Hunderte anderer an. Und alle ließ Herodes ohne jede Gerichtsverhandlung niedermachen für ein Verbrechen, das nicht ein einziger auch nur je erwogen hatte. Ihr Besitz aber gelangte in die Schatzkammer des Königs, denn auch alle ihre Angehörigen, selbst die unmündigen Kinder, wurden erschlagen.
Wie viele Juden hat Herodes auf dem Gewissen? Wie viele bedeutende Männer hat er in den Hades getrieben? Wieviel von der Größe unseres Königtums hat er vernichtet? Ich könnte es nicht einmal schätzen. Aber die Besten des Volkes, Männer ebenso wie Frauen, die umgebracht wurden, lassen sich nicht einmal nach Tausenden zählen, eher nach Zehntausenden. Ich bin aufs höchste erstaunt darüber, daß die Juden überhaupt noch Leute haben, die fähig sind, Steuern einzuziehen oder Gesetze zu entwerfen. Nicht erstaunt aber bin ich darüber, daß Schulamit und ich uns schließlich auch in Herodes’ Netz verfangen haben. Welche Tragödie! Von meinen Freunden hat der Tyrann jeden dritten ermorden lassen. Antigonos wurde durch das Geschwätz eines Fischhändlers belastet; Barnabas erschlugen sie, weil er Land besaß, das der König haben wollte; Schemuel, der Oheim meiner Frau, ein untadeliger Mann, wurde auf die Anschuldigung eines betrunkenen griechischen Seemannes hin enthauptet; Leonidas, Marcus, Abraham - hingerichtet aus Gründen, die ich nicht kenne; der Dichter Lykidas und der Sänger Marcellus umgebracht als Teilnehmer an einer Verschwörung, deren Ausmaße sich nicht bestimmen ließen; Isaak und Jochneam sind tot, nur weil sie Silber besaßen. Aber was besagen Namen? Jede Familie in Judaea könnte eine gleich lange Liste aufstellen, mit anderen Namen und anderen Beschuldigungen. Alle, alle sind sie tot.
Warum haben die Römer diesem Wahnsinnigen erlaubt, so gegen sein eigenes Volk zu wüten? Nun - Judaea liegt weit von Rom, und es spielt wahrlich keine große Rolle im Weltgeschehen. Seitdem es Herodes mit meiner Hilfe gelungen war, den Caesar Augustus für sich einzunehmen, ist der Herr des Imperiums immer wieder, all die Jahrzehnte hindurch, bereit gewesen, Herodes zu stützen, solange dieser an den Grenzen des Reiches Ruhe und Ordnung hielt, denn nur das interessierte in Rom. Selbstverständlich erfuhr man dort, was bei uns vor sich ging. Aber was man vorbrachte gegen Herodes, waren eben Beschuldigungen gegen einen König, vorgebracht bei einem Kaiser. Und so stellte sich Augustus stets auf die Seite des Herodes. Einmal hat sich ein nach Caesarea entsandter Beauftragter des Kaisers mir, der ich Römer war wie er, anvertraut: »Ist es denn wirklich des Aufhebens wert, wenn die meisten fähigen Juden getötet werden? Haben wir es nicht leichter, wenn man sie
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