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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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Mädchen und schrie: »Du bist nicht Mariamne!« Aber er nahm sie trotzdem. Auf dem Schiff, das mich von Hispanien zurückbrachte, war auch eine Hure, mit der sich die Matrosen häufig abgaben, ein hübsches Ding, das mir in der Einsamkeit der Seereise recht gut gefiel. Aber der Kapitän warnte mich: »Sie hat die Hafenkrankheit.« So begnügte ich mich damit, sie mir aus der Ferne anzusehen. Das Mädchen blieb im Hafen. Als Herodes eines Tages mit mir am Hafendamm entlangging, erblickte er sie und schrie: »Du bist Mariamne« - sie sah wirklich aus wie die tote Königin. »Die nicht«, flehte ich ihn an, aber er war sofort wie besessen von ihr und tat, was er wollte. Später dann, als die Krankheit ihn befallen hatte, stöhnte er: »Und ich sage dir, es war Mariamne! Sie ist zurückgekommen, mich zu verfluchen.« Ein ägyptischer Arzt heilte die Krankheit. Aber nur für eine Weile.
    Wenn seine Qual am ärgsten war, wenn etwas ihn ganz besonders an Mariamne erinnerte, kam er erregt zu mir und sagte: »Wir werden einen großartigen Tempel in Caesarea bauen«, und eine Zeitlang war dann seine Energie darauf gerichtet. Aber nie dauerte es lange, bis nicht in ihm abermals irgendein Verdacht wegen irgendwelcher Verschwörungen erwachte. Eines Tages befahl er, dreizehn Frauen auf der Folterbank fürchterlichen Torturen zu unterwerfen. In ihrer Todespein gestanden sie völlig unglaubwürdige Verbrechen und bezichtigten Menschen, die sie überhaupt nicht kannten. Dennoch wurden die Verdächtigen in eine Arena geschleppt, und die Söldner verrichteten ihre schauerliche Blutarbeit an den Unschuldigen, bis uns, die wir zuschauen mußten, übel davon wurde. Und wieder kam er zu mir und flüsterte etwas von einem Mordanschlag. Jetzt waren es seine eigenen Kinder, Mariamnes Söhne, bei deren Namensgebung und Beschneidung Schulamit und ich dabeigewesen waren. Nun hieß es, sie hätten vorgehabt, ihren Vater zu vergiften! Gott sei Dank griff dieses Mal Caesar Augustus selbst ein und verwarnte Herodes ernstlich. Und so kam es zu einer ergreifenden Versöhnungsszene, in der Alexander und Aristobulos (er war nach seinem Oheim benannt, den ich hatte ertränken helfen) ihrem wahnsinnigen Vater unter Tränen kindliche Liebe gelobten und ihm Treue schworen.
    Doch nach kurzer Zeit kam er erneut zu mir: »Meine Feinde trachten mir nach dem Leben.« Und diesmal brachte er mir Beweise ihrer Schuld. So begleitete ich ihn nach Berytos, der Stadt, die Caesar Augustus als Ort der Gerichtsverhandlung bestimmt hatte, und vertrat die Sache meines Königs vor den Richtern mit einer leidenschaftlichen Anklagerede. Nach mir sprach Herodes selbst und brachte eine Reihe schwerster Verdachtsgründe vor, so daß ihm der Gerichtshof, wenn auch zaudernd, die Ermächtigung gab, seine Söhne hinrichten zu lassen, sofern er es nach nochmaliger reiflicher Überlegung beabsichtige. Nach Judaea zurückgekehrt, warf mir Herodes eine Liste mit den Namen von dreihundert angesehenen Bürgern auf den Tisch: Alle seien sie an der Verschwörung beteiligt. Als ich die Namen las, sah ich sofort, daß viele keinesfalls in diese Sache verwickelt sein konnten, und sagte ihm das mit allem Nachdruck. Er aber schrie: »Sie haben sich gegen mich verschworen. Sie müssen sterben.«
    Eine böse Zeit folgte: Herodes saß, von Fieberschauern geschüttelt, allein in seinem Palast in Caesarea, unfähig, sich zu entscheiden, ob er Mariamnes Söhne töten solle oder nicht. Schulamit und ich versuchten, ihn von seinem grauenhaften Vorhaben abzubringen. Jedesmal, wenn er meine Frau anblickte, brach er in Tränen aus und jammerte darüber, daß er seine Königin verloren habe. Aber diese Szenen des Selbstmitleids bestärkten ihn nur in seiner Absicht, auch ihre Söhne umbringen zu lassen. Deshalb verbot ich meiner Frau, zu ihm zu gehen; ich hoffte, ich allein könne ihm seine aberwitzigen Rachegedanken ausreden. »Laß von deinen Söhnen ab«, flehte ich, »und gib die dreihundert Juden frei.« Vielleicht hätte ich Erfolg gehabt, wäre nicht ein alter Söldner gewesen, der im Palast ein- und ausging. Er hatte sich in früheren Feldzügen ausgezeichnet, und deshalb gab Herodes ihm aus Dankbarkeit diesen oder jenen kleinen Auftrag. Dieser Veteran glaubte daraus das Recht ableiten zu können, eines Tages dem König offen seine Meinung zu sagen. Er warnte ihn: »Seht Euch vor! Dem Heer ist Eure Grausamkeit zuwider. Es gibt kaum noch einen Bürger, der nicht auf seiten Eurer Söhne steht. Und

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