Die Quelle
manche zogen von Stadt zu Stadt und weissagten das Kommen des Messias in dieser oder jener Gestalt. Auch nach Makor, an die Grenze des jüdischen Landes, waren nicht wenige dieser Männer gekommen, der Rabbi Jehoschua - der Herr Jesus - jedoch nicht.
Daß man in der Stadt von seiner Kreuzigung auf einem Hügel bei Jerusalem nichts vernommen hatte, ist ebenfalls nicht sonderlich merkwürdig, denn ein solches Ereignis war in keiner Weise ungewöhnlich. Ein jüdischer König hatte einmal an einem einzigen Nachmittag achthundert seiner Untertanen kreuzigen lassen, während er sich mitten in Jerusalem vor aller Öffentlichkeit mit seinen Konkubinen und Gästen betrank, die er eingeladen hatte, sich mit ihm an dem Schauspiel zu ergötzen. Auch von König Herodes waren viele Juden gekreuzigt worden, und die römischen Beamten hatten immer wieder Hinrichtungen in dieser altüberlieferten Art vollstrecken lassen. Noch eines kam hinzu: Eine Grenzstadt wie Makor unterhielt nicht sehr enge Beziehungen zu Jerusalem oder Nazareth, nicht einmal zu den Siedlungen am See Genezareth, sondern mußte auf gute Beziehungen vor allem zu Ptolemais bedacht sein, der nahegelegenen Hafenstadt, die sich freilich meist im Besitz fremder Völker mit anderem Glauben befand. So hatte, als Makor unter ägyptischer Herrschaft war, Akka den Seefahrervölkern gehört; als Makor zu König Davids Reich zählte, war Akcho phönizisch gewesen. Als Herodes über Makor herrschte, besaß Kleopatra die nunmehr Ptolemais genannte Hafenstadt. Und zur Zeit Christi, als Judaea und damit Makor von den römischen Landpflegern regiert wurde, gehörte Ptolemais zur Provinz Syria des Imperium Romanum. Makors Blick aber war auf dieses Ptolemais gerichtet, nicht auf Jerusalem. Und in Ptolemais, dieser uralten Stadt, in deren Hafen seit eh und je Dreiruderer aus Athen und Lastschiffe aus Tyros eingelaufen waren, hatte schließlich zum erstenmal ein Mann aus Makor von Jesus Christus gehört. Im Frühjahr des Jahres 59 n. Chr. war es gewesen, als der Gekreuzigte selbst in Gegenden, in denen man ihn einst gut gekannt hatte, fast vergessen war. Ein römisches Getreideschiff hatte, aus Puteoli über den Hafen von Athen, den Piraeus, kommend, in Tyros Anker geworfen. Dort war ein schmächtiger, kahlköpfiger Mann in den Sechzig an Bord gekommen, der nach Caesaraea wollte. Am nächsten Tag hatte das Schiff, nachdem es an der Küste entlang die kleine
Strecke bis Ptolemais gesegelt war, diesen Hafen angelaufen -eine für den Reisenden unerwartete Gelegenheit, an Land zu gehen und den Juden, die sich zufällig im Hafengebiet aufhielten, Reden zu halten Unter den Zuhörern befand sich der nämliche Jigal aus Makor, der einige Jahre zuvor in derselben Stadt sein Leben aufs Spiel gesetzt hatte, um dem römischen Feldherrn Petronius, dessen Legionen Statuen des Kaisers ins Land bringen sollten, Halt zu gebieten. So war Jigal der erste Einwohner von Makor, der die Botschaft Christi hörte.
In einem Hebräisch mit starkem Akzent hatte der Redner nicht ohne Stolz gesagt, er sei Paulus aus Tarsos, einer im Norden gelegenen Stadt von mehr als einer halben Million Einwohner und, wenngleich ein Römischer Bürger, so doch auch Jude, strenggläubig erzogener Pharisäer. Aber ein Jude, ungleich größer als er selbst, habe in Galilaea gepredigt und den Menschen eine neue Lehre anstelle der alten verkündet: daß der Mensch gerecht werde auch ohne des Gesetzes Werke und daß alle Menschen das Heil erlangen könnten, wenn sie Ihm nachfolgten, Jesus Christus, dessen Knecht er sei.
Paulus sprach klar und versuchte seine Zuhörer mit Vernunftgründen zu überzeugen. Der krummbeinige kleine Mann mit der großen, unter dichten, zusammengewachsenen Augenbrauen vorspringenden Hakennase ließ Anzeichen von Erschöpfung erkennen - es war, als befürchte er, die Zeit glitte ihm durch die Finger. Paulus hatte an jenem Tag in Ptolemais viel zu sagen, und die Gleichgültigkeit solcher Juden wie Jigal, der, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, dastand und zu erraten suchte, was der Fremde mitzuteilen sich mühte, schien den Kahlköpfigen aus Tarsos in Zorn zu versetzen. Er sprach mit gewaltiger Überredsamkeit. Die Juden, so rief er, hätten jetzt, an eben diesem sonnigen Tag in Ptolemais, die Aussicht, den Mann in ihren Herzen aufzunehmen, der den Tod am
Kreuz gestorben sei, um die Welt zu erlösen. »War dieser Jesus nicht ein Rabbi?« fragte ein Jude aus Ptolemais.
»Seine Jünger nannten ihn
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