Die Quelle
so«, antwortete Paulus.
»Unser Rab ist uns gut genug«, sagte der Fragende ungerührt; Paulus ließ sich auf eine Auseinandersetzung mit ihm nicht ein. Er kehrte den Juden den Rücken, blickte hinaus aufs Meer, als wende er sich an die ganze Welt, und verkündete in stürmischen Sätzen nun auf Griechisch die Lehre des neuen Glaubens: »Warum ist das Böse in der Welt? Weil wir in der Sünde geboren wurden. Wie können wir gerettet werden? Dadurch, daß Jesus Christus durch Seine Kreuzigung unsere Sünden auf Seine Schultern nimmt.« Einige Augenblicke lang richtete er sich mit seiner leidenschaftlichen Rede an Jigal, der spürte, wie er bis ins Mark erschauerte, als dieser zu Jesus bekehrte Jude von der Neuen Welt Christi sprach, in der das Gesetz des Mose sich erfüllen solle. Aber Jigal wurde seiner Erregung Herr. Ihm konnte kein Glaube auf die Dauer anziehend erscheinen, der das Alte aufgab und in neue Richtungen wies, die er nicht vorauszusehen vermochte. So verließ er den Kreis derer, die bei Paulus standen, und kehrte nach Makor zurück. Hier beschäftigten ihn die Worte des Paulus von Tarsos noch ein paar Tage lang; er dachte auch kurz daran, mit Rab Naaman darüber zu sprechen, tat es jedoch nicht und wurde, wie wir erlebt haben, acht Jahre später, nachdem er sich der Macht Roms entgegengestellt hatte, selbst unweit von Nazareth gekreuzigt - etwa zur gleichen Zeit, als Paulus aus ähnlichen Gründen in Rom hingerichtet wurde. Nur langsam also hatte Makor die Wirklichkeit Jesu Christi zur Kenntnis genommen. Dann aber war eine Zeit gekommen, da Seine Gegenwärtigkeit die kleine Stadt mit überwältigender Gnade ergriff. Im Jahre 312 hatte der römische Kaiser Konstantin am Vorabend einer entscheidenden Schlacht ein feuriges Kreuz am Himmel gesehen mit der Verheißung: »In hoc signo vinces«. Da er die Schlacht gewann, die Prophezeiung sich also erfüllte, befahl er durch ein Edikt, daß das Christentum zur Religion des gesamten Römischen Reichs werden sollte - eine der folgenreichsten Verfügungen, die je ein einzelner Mann getroffen hat. Und 325 beauftragte er seine Mutter, eine außergewöhnliche Frau, eine Pilgerfahrt ins Heilige Land zu unternehmen und festzustellen, ob sie die Stätten wiederzufinden vermöchte, an denen Jesus vor dreihundert Jahren gewirkt hatte. Kaiserin Helena hatte ein wechselvolles Leben hinter sich. Als ein recht lebenslustiges Schankmädchen einer Herberge auf dem Balkan hatte sie sich einem römischen Offizier angeschlossen, dem später die Caesarenwürde verliehen wurde, jedoch unter der Bedingung, daß er die Verbindung zu Helena löse. In ihrer Einsamkeit hatte Helena sich den Tröstungen des Christenglaubens ergeben und auch ihre heidnischen Freunde dazu bewogen, ihr darin zu folgen. Und als ihr Sohn den Purpur des Kaisers anlegte, ernannte er die Erniedrigte zur Augusta, zur Kaiserin, deren Pilgerzug ins Heilige Land zu einem bedeutsamen Ereignis wurde. In Jerusalem hatte Kaiserin Helena während des Schlafs eine Vision, ähnlich der ihres Sohnes: Sie sah nicht nur genau die Stelle des Kreuzes, an dem Christus gestorben war, sondern auch die des Grabes, in dem der Leichnam Jesu zwei Tage lang geruht hatte. Und in weiteren Visionen erkannte sie die meisten anderen geheiligten Stätten. Auf jeder ließ ihr Sohn eine Basilika errichten und zu allen diesen Pilgerzüge der gesamten Christenheit ziehen.
Im Jahre 326 war Kaiserin Helena in Ptolemais an Land gegangen. Auf ihrer Fahrt durchs Binnenland bis zum See Genezareth und überall dorthin, wo Jesus geweilt hatte, wurden ihr weitere Visionen zuteil: »Dies ist der Ort, wo der Heiland die Volksmenge mit zwei Fischen und fünf Broten speiste«, verkündete sie, und eine Basilika wurde errichtet.
»Ich fühle mit Gewißheit, daß Jesus hier die Bergpredigt gehalten hat«, sagte sie, und der Bau einer Kirche wurde beschlossen. Alle diese Stätten der Verehrung für jeden Christen entriß sie dem Vergessen. Auf dem Rückweg kam sie auch nach Makor, einem kleinen Städtchen ohne Mauern, gelegen auf einem Hügel. Hier schlief die Kaiserin in einem Haus neben der kleinen christlichen Kirche. Und hier hatte sie eine letzte Vision: Sie sah, daß Maria Magdalena nach der Auferstehung des Heilands in Makor Zuflucht gefunden hatte. Am nächsten Morgen verkündete Helena in großer Begeisterung: »Hier werden wir eine herrliche Kirche bauen, damit die Pilger auf dem Weg nach Tiberias und Kapernaum künftig hier ihre Reisen
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