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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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Eltern folgend, ein Mädchen aus der ländlichen Umgebung, das sie ihm ausgesucht hatten, und obgleich er sich als frommer Mann auf den Geschlechtsverkehr am Freitagabend beschränkte, zeugte er doch rasch nacheinander fünf Töchter. Wie sein Name ha-Garsi zeigte, verdiente er sich den Lebensunterhalt als Grützenmacher: Er kaufte Weizen, den er kochte, trocknete und zu Grütze brach. Diese Grütze war vor allem bei den städtischen Bewohnern von Ptolemais sehr beliebt. Die
    Herstellung von Grütze erforderte harte Arbeit und war nicht ohne finanzielle Fährnisse, denn der Preis des Rohgetreides konnte plötzlich steigen oder fallen, während der Preis der fertigen Grütze sich vielleicht in entgegengesetzter Richtung entwickelte. Mehr als die meisten anderen Menschen kannte Rabbi Ascher der Grützenmacher deshalb die Drangsale des Lebens und nicht minder die Enttäuschungen, denn immer hatte er sich einen Sohn gewünscht, der seinen Namen weitertragen und ihm im Geschäft helfen sollte. Doch er bekam keinen, und zudem hatten seine zwei ältesten Töchter Männer geheiratet, die zu nichts anderem taugten als zum Faulenzen. Was aber die jüngeren Töchter betraf, so schienen sie es nicht viel besser machen zu wollen.
    Der Rabbi, ein kleiner Mann, schwitzte daher in seiner Grützenmühle, sorgte für seine Familie und gab sich Mühe, den byzantinischen Steuereinzieher zu beschwichtigen. Hauptamtlich aber diente er den Juden von Makor als unbesoldeter Rabbi, denn in jener Zeit war die Gemeinde nicht reich. Die Art jedoch, wie er sein Amt versah, hatte dem Rabbi Ascher den Ehrennamen »Gottesmann« eingetragen. Wann immer Angehörige seiner Gemeinde zu ihm kamen und ihn baten, ihm bei ihren Schwierigkeiten zu helfen, lächelte er sie zunächst mit seinen traurigen blauen Augen an, die zu sagen schienen: »Was Sorgen sind, brauchst du mir nicht erst zu erklären«, steckte sodann seine Hände unter seinen schwarzen Bart und antwortete schließlich: »Laß uns, ehe wir die Sache erörtern, darüber einig werden, was der Wille des Allmächtigen ist. Wenn wir wissen, was Er will, werden wir wissen, was wir wollen.« In seiner eigenen Lebensführung richtete er sich ganz nach dem Gesetz, wie es in den Büchern Wajikra und Bemidbar dargelegt ist, im Dritten und Vierten Buch Mose - das Fünfte Buch Mose, Dewarim, hatte er im Verdacht, etwas neumodisch und umstürzlerisch zu sein -, und sein Wunsch war, daß seine Gemeinde es ihm gleichtun möchte. »Es wäre besser, wenn alle die Thora befolgten«, sagte er den Leuten, »aber Männer und Frauen sind schwach, deshalb müssen einige von uns Juden den übrigen ein Vorbild geben.« Mit seiner Sanftmut hatte er viele dazu gebracht, das Gesetz getreuer zu erfüllen, und in ganz Makor war man einer Meinung: Bei jedem Streit, bei jedem Zwist in der Stadt blieb Gottes, was Gottes war, sofern man Rabbi Ascher den Grützenmacher dazu bewegen konnte, sich der Sache anzunehmen, denn selbst unter den Christen galt er als ein Mann Gottes.
    Zur gleichen Zeit, da sich die Kaiserin Helena anschickte, Makor zu verlassen, war zu Rabbi Aschers Grützenmühle ein riesiger dunkelhäutiger Mann mit buschigen Augenbrauen und mächtigen Schultern gekommen, um ihn in einer schwierigen Angelegenheit um Rat zu fragen. Zuerst hatte der kleine Rabbi sich darüber geärgert, daß man ihn bei der Arbeit störte, dann aber gesagt: »Wir reden besser in meinem Haus, Jochanan.«
    Er ging voran zu einem bescheidenen Haus, wo seine jüngeren Töchter munter lärmend spielten, bei seinem Erscheinen aber davonliefen. Rabbi Ascher begab sich mit seinem Besucher in eine kleine Kammer voller Schriftrollen und Bücher - jener auf neuartige Weise geschnittenen und gebundenen Pergamente. Er scheuchte den Haushahn der Kinder von seinem Bett und nahm Platz hinter einem Tischchen, während der klotzige Besucher, dessen massige Kiefer kriegerisch vorsprangen, auf Auskunft wartete.
    »Jochanan«, sagte der Grützenmacher freundlich, »wir müssen zuerst zu erkunden versuchen, was der Wille des Allmächtigen ist in dieser Sache.«
    »Ich will heiraten«, brummte der Riese.
    »Meine Antwort muß dieselbe bleiben wie in der vergangenen Woche. Tirza ist eine verheiratete Frau. Kein
    Mann darf sie zur Ehe begehren, ehe wir den Beweis haben, den Beweis.«
    Der stämmige Steinmetz sagte grollend: »Vor drei Jahren ist ihr Mann mit den Griechen davongelaufen. Er ist tot. Was brauchst du mehr an Beweis?« Fast als sei ihm das

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