Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
Vom Netzwerk:
kannte das Ringen, in dem der Hellenismus, eine der impulsivsten Kulturen der Geschichte, versucht hatte, das Judentum, eine der beharrlichsten Kulturen, zu ersticken. Wie erregend, nun entdeckt zu haben, daß sich diese Auseinandersetzung sogar bis hierher nach Makor erstreckt hatte und als Zeugnis dafür die Hand eines Athleten übriggeblieben war, die einen zerbrochenen Schaber umspannte.
    Hand aus Marmor mit Schaber
    »Fahrt nur nach Zefat«, rief Cullinane aus dem Graben. »Ich bleibe hier und arbeite.«
    »John«, rief Tabari, »du wirst gebraucht.« Das war die Gegenwart mit ihren Anforderungen. In der Tat - er wurde gebraucht. Mochte der Rest der Statue, falls er im Schutt des Tell lag, warten.
    Auf einem der Hügel zwischen Akko und Zefat hatten dankbare Juden im Jahre 1949 einen kleinen Wald zum Gedenken an Orde Wingate angepflanzt, jenen verständnisvollen Engländer, der einst in Palästina Beamter gewesen und dann in Burma gestorben war. Die Baume waren gut gediehen, mit kräftigen Stämmen und ausladenden Kronen. Die beiden Wagen hielten. Das Schild »Orde-Wingate-Wald« war verschwunden; seinen Platz nahm ein neueres, auch schon etwas verwittertes ein. Die vier Archäologen stiegen mit einem etwas beschämten Lächeln aus. Zodman folgte ihnen, um seinen Wald zu besichtigen. Einige Minuten stand er in stiller Betrachtung, dann bewegte er sich wortlos zwischen den Bäumen, befühlte ihre Stämme und blickte zu den Nadeln hinauf. Etwas Harz hatte sich an seine Finger gesetzt; er kostete es. Er stieß mit dem Fuß gegen den Boden: Da hatte sich Humus gebildet; der nahm das Wasser auf, das früher diese Hänge immer wieder kahlgespült hatte. Zodman wandte sich seinen Begleitern zu. Aber seine Kehle war ihm vor Rührung wie zugeschnürt. Er bekam kein Wort heraus. Tabari hatte sich noch mehr einfallen lassen: Eine Schar Kinder sollte durch den Wald tollen. Da waren sie schon. Fröhlich hallte ihr Schreien und Lachen durch die Baumreihen. Zodman drehte sich überrascht um, als sie vorbeiliefen. Er hob ein rotbackiges, pummeliges Mädelchen auf. Es verstand kein Englisch und er kein Hebräisch, und so schauten sie einander nur einen Augenblick lang an. Dann wollte die Kleine sich losstrampeln, aber Tabari hatte ihr vorher genau gesagt, was sie tun sollte; und jetzt gab der Araber ihr hinter Zodmans Rücken ein Zeichen: Das Kind küßte den Amerikaner. Zodman drückte das Mädchen an sich und setzte es dann sanft nieder. Die Kleine rannte hinter den anderen her - dorthin, wo ein Wagen sie alle in ihr Dorf zurückbringen sollte. Man sah es Zodman an: Wehmütige Gedanken bewegten ihn. Zu den Jeeps zurückgekehrt, sagte er stockend: »Meine Verwandten in Deutschland hatten viele Kinder.« Er wischte sich die Augen. »Es ist so schön, wenn Kinder frei in einem Wald herumlaufen können.« Er bestieg das Auto und schwieg für den Rest der Fahrt. Eliav flüsterte Tabari zu: »Du nimmst das verflixte Schild ab.« Der Araber sagte nur: »Nein. Denn er wird immer wieder hierherkommen.« Vom Wald ging die Fahrt nach Zefat, einer bezaubernden Stadt an den Hängen einer Hügelkette. Als es Zeit für die Morgenandacht wurde, erklärte Eliav: »In der Wodscher Synagoge ist kein Platz für Frauen. Darum wäre es besser, wenn Vered im Wagen wartet. Cullinane und Tabari sind keine Juden. Aber ich habe euch Jarmulkes mitgebracht - ihr wißt, diese Käppchen -, und ihr seid willkommen. Auch für Sie habe ich ein Käppchen, Mr. Zodman.«
    Er führte die drei von der Hauptstraße aus durch steil sich windende Gäßchen, die sich dicht am Hang entlangzogen. Manchmal waren sie so eng, daß Zodman die Häuser links und rechts berühren konnte, und da und dort stießen die oberen Stockwerke zusammen, so daß die Männer wie durch einen Tunnel gingen. Jetzt öffnete Eliav eine kleine Tür; sie führte in einen Raum von knapp acht mal acht Meter Fläche. An den Seiten standen Steinbänke, Hunderte von Jahren alt; auf ihnen saßen Männer, die womöglich noch älter erschienen: bärtig, triefäugig, gebückt, in langen schwarzen Mänteln und pelzbesetzten Mützen, einige im Gebetsmantel aus weißer Wolle mit schwarzen Streifen. Besonders auffallend waren die langen Locken, die von ihren Schläfen fielen. Sie saßen und beteten, indem sie den Körper, wie unter einem Zwang, vor-und zurückschwingen ließen.
    Es waren Chassidim, besonders glaubensfreudige Juden, die sich um den Rebbe von Wodsch geschart hatten, einen heiligen Mann, der vor

Weitere Kostenlose Bücher