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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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schwere, stattliche Fassade zu betrachten, die der eines griechischen Tempels ähnelte, ohne freilich die allen Bauten der Hellenen eigene Vollkommenheit zu zeigen. Sechs recht plumpe Steinsäulen bildeten die Vorhalle. Eusebios bemerkte zu seinem Architekten: »Jedenfalls kein Grieche, der Steinmetz, der hier gearbeitet hat.« Doch mußte er zugeben, daß diese Säulenhalle nicht ohne Wirkung war. In der Rückwand befanden sich drei Türen, deren Sturze bildhauerischen Schmuck zeigten. Am besten gefiel Eusebios die Arbeit an dem westlichen Türsturz: Weintrauben, Dattelpalmen und ein kleiner Wagen mit hohem Aufbau, der zweifellos die Bundeslade darstellen sollte. Er trat zum Portal, um ins Innere zu spähen. Und hier nun bekam Eusebios zum erstenmal eine Ahnung von dem, was dieses Galilaea an Noblesse aufzuweisen hatte. Denn was er sah, war gewiß derber als die Prachtbauten in Konstantinopel, stand ihnen aber in mancher Hinsicht keineswegs nach: Die Decke des Innern nämlich wurde von acht Säulen verschiedener Färbung getragen, deren vollendete Proportionen eindeutig bewiesen, daß sie aus einem griechischen oder römischen
    Gebäude stammten - kein Jude hätte derlei zu schaffen vermocht. Diese acht Säulen verliehen der Synagoge poetische Schönheit. Sehr viel stärker beeindruckt war Eusebios jedoch von dem Mosaik des Fußbodens. In bunten Würfelchen aus dem Gestein der Umgebung war das ganze Land Galilaea eingefangen: Vögel, die auf einem Ölbaum saßen, schlaue Füchse, die in den Binsen lauerten, und stilisierte kleine Gewässer, die von purpurnen Bergen herabstürzten - eine Fülle von Einzelheiten, in künstlerische Einheit gebracht. »Demetrios!« rief er. »Sieh dir das an!«
    Ein byzantinischer Meister kam herbei, besah sich das Mosaik und war betroffen. Dies hier schien ihm besser als alle Arbeiten seiner Handwerker. »Wer hat das gemacht?« fragte Demetrios.
    »Sie müssen jemanden aus Konstantinopel geholt haben«, vermutete ein Mosaikleger. Eusebios ging zur Säulenhalle hinaus und fragte einen vorübergehenden Juden in griechischer Sprache: »Wer hat diesen Fußboden verlegt?« Der Mann verstand ihn nicht, aber Menachem, der gerade den Stuhl zur Synagoge zurückbrachte, trat vor und sagte: »Mein Vater.«
    Der Priester und der Jude sahen einander schweigend an, dann setzte der junge Mann hinzu: »Er arbeitet drinnen«, und führte den hochgewachsenen Spanier wieder in die Synagoge, wo Jochanan ein Tonrohr zupaßte. »Das ist mein Vater«, sagte Menachem.
    »Ist der Fußboden dein Werk?« fragte Eusebios. »Ja.«
    »Gelernt hast du in Konstantinopel?« fragte Demetrios.
    »In Antiochia«, erwiderte Jochanan. Zum erstenmal, seit er mit der Arbeit am Mosaik begonnen hatte, erfuhr er die Genugtuung, daß Fachleute sein Mosaik als Kunstwerk anerkannten.
    »Vorzüglich«, sagte Eusebios mit verhaltener Begeisterung. Er konnte sich gut vorstellen, daß ein solcher Fußboden den rechten Schmuck für seine Basilika abgab, und deshalb wandte er sich, der Eingebung des Augenblicks folgend, an Jochanan: »Deine Arbeit hier scheint fertig zu sein. In unserer Basilika brauchen wir Leute von deinem Können.«
    »Das Glas kostet Geld«, knurrte Jochanan.
    Eusebios entnahm einem Beutel, den ihm einer seiner Begleiter reichte, mehr Goldmünzen, als Jochanan je gesehen hatte, und gab sie ihm. »Kaufe das Glas. schnellstens. Wir brauchen ein dreimal so großes Mosaik.« Jetzt sprach der Priester mit seinen Fachleuten; sie redeten von der geplanten Basilika in so entschiedener Art, daß Jochanan begriff: In deren Vorstellung stand die Kirche bereits da. »Könnten wir einen Fußboden dieser Abmessungen vor dem Altar unterbringen?« fragte Eusebios. »Falls wir zwei Pfeiler versetzen.« antwortete sein Baumeister.
    »Die Pfeiler bleiben«, unterbrach ihn der Spanier. »Aber zwischen ihnen. Wäre da nicht genügend Platz?«
    »Reichlich«, sagte der Baumeister zustimmend, doch Demetrios gab zu bedenken: »In diesem Fall können wir kein rechteckiges Muster verwenden wie hier.« Mit den Händen zeigte er die verfügbaren Dimensionen. Eusebios nickte. Der Spanier wandte sich wieder an Jochanan und fragte vorsichtig: »Könntest du ein ebenso treffliches Werk bei anderen Raumverhältnissen vollbringen?« Und wie vorher Demetrios zeigte nun er mit den Händen, was er sich vorstellte. Jochanan überlegte: Diese Männer sind entschlossen zu bauen, und ich würde gern zusammen mit ihnen arbeiten. »Ich bin Jude«, antwortete

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